Senhora Caterina Albert i Paradís – ein Name, den man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen muss – war eine spanische Autorin (1869 – 1966) aus Katalonien, die zeitlebens sehr erfolgreich unter dem männlichen Pseudonym Victor Català veröffentlichte - so wie viele ihrer Kolleginnen im damaligen streng katholischen Spanien. Erstmalig ist vor Kurzem der deutschsprachigen Leserschaft die Möglichkeit geboten worden, sich selbst einen Eindruck über die schriftstellerischen Fähigkeiten der Autorin zu machen. Im Kupido Literaturverlag erschien unlängst der Roman „Ein Film (3000 Meter)“, der als Klassiker der katalanischen Literatur des 20. Jahrhunderts gilt. Übersetzt wurde dieses Wunderwerk von Petra Zickmann. Zur Zeit seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1926 wurde dieser Roman als avantgardistisch betrachtet, da er wie in einem Film durch das Barcelona der 1920er führt, wobei die „Kameraführung“ von Nonat, dem Protagonisten dieses Romans verantwortet wird. Das Ergebnis erscheint dem Leser vor seinem geistigen Auge mal als Stummfilm, mal alsTonfilm, der zur damaligen Zeit noch in den Kinderschuhen steckte. Caterina Albert i Paradís erweist sich also – nicht nur gemessen an der damaligen Zeit – als sehr kreativ. Denn das Ergebnis ist ein farbenprächtiges literarisches Spektakel.
Schauplatz ist das, damals von Spanien noch unabhängige Katalonien, erzählt wird die Geschichte eines jungen Mannes, Nonat, der als neugeborenes Findelkind in ein Kinderheim kommt, hier seine Kindheit verlebt und später das Geheimnis seiner Herkunft ergründen will. Sobald er alt genug ist, geht er bei einem Schlosser in die Lehre, um später in Barcelona sein Glück zu machen, und vielleicht auch seine leiblichen Eltern zu finden. Denn er glaubt – aus welchen Gründen auch immer – dass seine Eltern nobler Herkunft sind.
Nonat muss man anfangs einfach mögen. Er hat ein ansprechendes Äußeres, ist freundlich und intelligent. Sein Erscheinungsbild und positives Auftreten erleichtern ihm seinen Start in der Großstadt.
Er sehnt sich danach, zur gehobenen Gesellschaft dazuzugehören. Zwangsläufig beginnt er, über seine Verhältnisse zu leben. Sein gehobener Lebenswandel will finanziert werden, was ihm, dem Schlosser, nicht leichtfällt. Also strebt er eine weitere berufliche Karriere an, die des Kriminellen.
Der Roman „Ein Film (3000 Meter)“ erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall seines Protagonisten Nonat.
Abgesehen vom Anfang, findet die Handlung hauptsächlich in Barcelona statt, in einer Zeit, als sich die verschlafene katalanische Hauptstadt in eine quirlige Metropole wandelte. Wir begleiten Nonat auf seinen Streifzügen, wobei sich die Stadt durch den lebhaften Sprachstil, der in diesem Roman vorherrscht, in den schillerndsten Farben präsentiert.
Ein Hochgenuss ist die Beschreibung der Charaktere. Die Autorin beschreibt ihre Figuren bis ins kleinste Detail, wobei sie insbesondere auf die negativen Eigenschaften, sowohl den Charakter als auch Äußerlichkeiten betreffend, auf eine dermaßen süffisante Art eingeht, die man nur als lästerlich bezeichnen kann. Es gibt kaum eine Figur in diesem Roman, die vor dem scharfzüngigen Spott der Autorin bewahrt bleibt. Sie zeichnet damit ein Sittengemälde der damaligen Gesellschaft Barcelonas, die von Bigotterie und Doppelmoral geprägt war. Die Beschreibungen der Figuren dieses Romans sind damit alles andere als schmeichelhaft, aber dafür umso lustiger.
Interessant ist die Entwicklung des Protagonisten und seine Wirkung auf den Leser. Anfangs lässt man sich gern von dem sympathischen Nonat einnehmen, schreibt sein Geltungsbedürfnis und seinen Drang, unbedingt zur gehobenen Gesellschaft dazugehören zu wollen, den Träumereien eines jungen Erwachsenen zu. Doch je deutlicher Nonats kriminelle Energien zu Tage treten, umso mehr Sympathiepunkte verliert er beim Leser und bei der Autorin. Ging diese zu Beginn des Romans noch über die menschlichen Schwächen ihres Protagonisten hinweg, wird sie im weiteren Verlauf des Romans Nonat gegenüber unnachgiebiger. Somit entwickelt sich die Beschreibung von Nonat als einem sympathischen, von allen gemochten Sunnyboy zu einem eitlen und selbstherrlichen Kriminellen.
Fazit
"Ein Film (3000 Meter)" ist ein lebhaftes und farbenfrohes Spektakel über Barcelonas Gesellschaft der 1920er Jahre. Die scharfzüngigen Beschreibungen der Charaktere sind dabei ein Hochgenuss und haben hohen Unterhaltungswert. Ich hoffe doch sehr, dass noch weitere Werke von Caterina Albert i Paradís dem deutschsprachigen Raum zugänglich gemacht werden. Leseempfehlung!
Bigotterie und Doppelmoral
Senhora Caterina Albert i Paradís – ein Name, den man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen muss – war eine spanische Autorin (1869 – 1966) aus Katalonien, die zeitlebens sehr erfolgreich unter dem männlichen Pseudonym Victor Català veröffentlichte - so wie viele ihrer Kolleginnen im damaligen streng katholischen Spanien. Erstmalig ist vor Kurzem der deutschsprachigen Leserschaft die Möglichkeit geboten worden, sich selbst einen Eindruck über die schriftstellerischen Fähigkeiten der Autorin zu machen. Im Kupido Literaturverlag erschien unlängst der Roman „Ein Film (3000 Meter)“, der als Klassiker der katalanischen Literatur des 20. Jahrhunderts gilt. Übersetzt wurde dieses Wunderwerk von Petra Zickmann. Zur Zeit seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1926 wurde dieser Roman als avantgardistisch betrachtet, da er wie in einem Film durch das Barcelona der 1920er führt, wobei die „Kameraführung“ von Nonat, dem Protagonisten dieses Romans verantwortet wird. Das Ergebnis erscheint dem Leser vor seinem geistigen Auge mal als Stummfilm, mal alsTonfilm, der zur damaligen Zeit noch in den Kinderschuhen steckte. Caterina Albert i Paradís erweist sich also – nicht nur gemessen an der damaligen Zeit – als sehr kreativ. Denn das Ergebnis ist ein farbenprächtiges literarisches Spektakel.
Schauplatz ist das, damals von Spanien noch unabhängige Katalonien, erzählt wird die Geschichte eines jungen Mannes, Nonat, der als neugeborenes Findelkind in ein Kinderheim kommt, hier seine Kindheit verlebt und später das Geheimnis seiner Herkunft ergründen will. Sobald er alt genug ist, geht er bei einem Schlosser in die Lehre, um später in Barcelona sein Glück zu machen, und vielleicht auch seine leiblichen Eltern zu finden. Denn er glaubt – aus welchen Gründen auch immer – dass seine Eltern nobler Herkunft sind.
Nonat muss man anfangs einfach mögen. Er hat ein ansprechendes Äußeres, ist freundlich und intelligent. Sein Erscheinungsbild und positives Auftreten erleichtern ihm seinen Start in der Großstadt.
Er sehnt sich danach, zur gehobenen Gesellschaft dazuzugehören. Zwangsläufig beginnt er, über seine Verhältnisse zu leben. Sein gehobener Lebenswandel will finanziert werden, was ihm, dem Schlosser, nicht leichtfällt. Also strebt er eine weitere berufliche Karriere an, die des Kriminellen.
Der Roman „Ein Film (3000 Meter)“ erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall seines Protagonisten Nonat.
Abgesehen vom Anfang, findet die Handlung hauptsächlich in Barcelona statt, in einer Zeit, als sich die verschlafene katalanische Hauptstadt in eine quirlige Metropole wandelte. Wir begleiten Nonat auf seinen Streifzügen, wobei sich die Stadt durch den lebhaften Sprachstil, der in diesem Roman vorherrscht, in den schillerndsten Farben präsentiert.
Ein Hochgenuss ist die Beschreibung der Charaktere. Die Autorin beschreibt ihre Figuren bis ins kleinste Detail, wobei sie insbesondere auf die negativen Eigenschaften, sowohl den Charakter als auch Äußerlichkeiten betreffend, auf eine dermaßen süffisante Art eingeht, die man nur als lästerlich bezeichnen kann. Es gibt kaum eine Figur in diesem Roman, die vor dem scharfzüngigen Spott der Autorin bewahrt bleibt. Sie zeichnet damit ein Sittengemälde der damaligen Gesellschaft Barcelonas, die von Bigotterie und Doppelmoral geprägt war. Die Beschreibungen der Figuren dieses Romans sind damit alles andere als schmeichelhaft, aber dafür umso lustiger.
Interessant ist die Entwicklung des Protagonisten und seine Wirkung auf den Leser. Anfangs lässt man sich gern von dem sympathischen Nonat einnehmen, schreibt sein Geltungsbedürfnis und seinen Drang, unbedingt zur gehobenen Gesellschaft dazugehören zu wollen, den Träumereien eines jungen Erwachsenen zu. Doch je deutlicher Nonats kriminelle Energien zu Tage treten, umso mehr Sympathiepunkte verliert er beim Leser und bei der Autorin. Ging diese zu Beginn des Romans noch über die menschlichen Schwächen ihres Protagonisten hinweg, wird sie im weiteren Verlauf des Romans Nonat gegenüber unnachgiebiger. Somit entwickelt sich die Beschreibung von Nonat als einem sympathischen, von allen gemochten Sunnyboy zu einem eitlen und selbstherrlichen Kriminellen.
Fazit
"Ein Film (3000 Meter)" ist ein lebhaftes und farbenfrohes Spektakel über Barcelonas Gesellschaft der 1920er Jahre. Die scharfzüngigen Beschreibungen der Charaktere sind dabei ein Hochgenuss und haben hohen Unterhaltungswert. Ich hoffe doch sehr, dass noch weitere Werke von Caterina Albert i Paradís dem deutschsprachigen Raum zugänglich gemacht werden. Leseempfehlung!
©Renie