Besondere Tage (Die Andere Bibliothek, Band 472)

Buchseite und Rezensionen zu 'Besondere Tage (Die Andere Bibliothek, Band 472)' von Walt Whitman
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Inhaltsangabe zu "Besondere Tage (Die Andere Bibliothek, Band 472)"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:384
EAN:9783847704768

Rezensionen zu "Besondere Tage (Die Andere Bibliothek, Band 472)"

  1. Eine sehr persönliche Rückschau

    Klappentext (gekürzt)

    »Specimen Days«, »Besondere Tage« nannte Walt Whitman seine Sammlung autobiographischer Texte. Ihr Herzstück sind seine Erlebnisse während des Amerikanischen Bürgerkriegs. Drei Jahre lang zieht Whitman durch die Lazarette Washingtons, lauscht den Erzählungen der Verwundeten, ihren Hoffnungen und Ängsten, und gibt seelischen Zuspruch – ein erschütterndes Zeugnis jener Seite des Krieges, die nicht in die Geschichtsbücher Eingang findet. Dazu gesellen sich Erinnerungen an die Kindheit und Naturbeschreibungen. Der Duft von Heu, das sanfte Gebrumm der Hummeln, die Luftsprünge der Schwalben, die letzten Strahlen der untergehenden Sonne über dem Teich: eine Quelle des Friedens und des Glücks, worin die menschliche Existenz eingebettet erscheint.

    Mein Lese-Eindruck

    Walt Whitman, the good grey poet, legt hier eine Sammlung von Tagebuchnotizen vor, die seine Autobiografie ersetzen können. Er selber bezeichnet die Sammlung zwar als „Überbleibsel“, aber sie sind geordnet und lassen sich verschiedenen großen Themenbereichen zuordnen; genealogische Betrachtungen und „Charakterquellen“, der Sezessionskrieg, der mehrjährige Landaufenthalt nach seinem Schlaganfall, Reiseerlebnisse und Gedanken zu anderen Autoren.

    Den meisten Raum beanspruchen seine Notizen zu seinen Erlebnissen während des Sezessionskrieges. Dieser Bürgerkrieg war einer der verlustreichsten Kriege und ist nach wie vor tief im kollektiven Gedächtnis der USA verankert. Whitman schildert ausschließlich seine persönlichen Erlebnisse und Eindrücke. Damit bricht er die politischen Ereignisse herunter auf das Menschliche und Individuelle. Er stellt viele Einzelschicksale vor, Verwundete, die er in den verschiedenen Lazaretten besucht und betreut und deren Schicksale – und auch die ihrer Familien – ihn anrühren. Obwohl er die Südstaaten als „personifizierten Erzfeind“ bezeichnet, sieht er auch im gefangenen und verwundeten Feind in erster Linie den Menschen, der Trost und Hilfe braucht.

    Dennoch ist sein Nationalstolz unüberhörbar. So leidet er einerseits beim Anblick der geschlagenen Truppen, aber sein Herz lebt auf, wenn er eine Truppenparade mit militärischem Pomp und Musik erlebt. Die „hübschen amerikanischen jungen Männer“ gefallen ihm; ein homoerotisches Element ist in vielen seiner Beschreibungen nicht zu überhören. Tiefen Eindruck machen auf ihn die kurzen Begegnungen mit dem Präsidenten Lincoln, dem er sein bekanntestes Gedicht „Oh Captain! My Captain!“ widmete.

    Sein Nationalstolz zeigt sich auch in sehr poetischen Beschreibungen z. B. des Weißen Hauses, die an Überhöhung grenzen. Whitmans nationales Pathos ist dem heutigen Leser fremd geworden.

    Überzeitlich schön sind dagegen seine Naturbeschreibungen. Nach einem Schlaganfall führte Whitman ein fast symbiotisches Leben mit und in der Natur. Er entdeckte die Freikörperkultur für sich und führte seine Gesundung auf seine innige Verbundenheit mit der Natur zurück. Ein Fluss, der bestirnte Nachthimmel, Wolkenbilder, ein Baum – Whitman beobachtet sehr genau und beschreibt seine Beobachtungen voller Poesie. Gelegentlich rutscht er zwar ins Pathetische hinein, wenn er z. B. die heroischen Eigenschaften eines Baumes beschreibt. Dennoch waren diese Beschreibungen für mich der schönste Teil des Buches, den man ohne Übersättigung mehrmals lesen kann.

    Fazit: Lesenswert!