Traudl Bünger, 1975 geboren, ist eine deutsche Autorin und promovierte Kulturschaffende. In ihrem neuesten Buch „ Eisernes Schweigen“ beschäftigt sie sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte.
Ihr Vater war Anfang der 1960er Jahre Doktorand der Chemie und mit seinem Zwillingsbruder zusammen verstrickt in einen terroristischen Anschlag.
Zu dieser Zeit war der Südtirol-Konflikt ein großes Thema. Nach dem Zweiten Weltkrieg hofften viele Südtiroler, wieder österreichisch zu werden. Sie fühlten sich seit Jahren unterdrückt von der Regierung Italiens und die rechte Szene in Deutschland solidarisierte sich mit der Unabhängigkeitsbewegung in Südtirol. So auch Heinrich Bünger. Er baute Zeitzünder für Sprengsätze und ließ auch, zusammen mit anderen Männern, eine Bombe in einem italienischen Bahnhof hochgehen. Doch statt wie geplant nachts zu explodieren, wenn niemand mehr am Bahnhof war, ging die Bombe am Nachmittag des 20. Oktober 1962 hoch. Der Zeitzünder hatte versagt, ein Mann kam dabei ums Leben.
18 Jahre lang zog sich das Verfahren gegen ihren Vater hin. Ein Urteil über dreieinhalb Jahre Haft wurde wieder aufgehoben. Letztendlich musste der Vater für seine Tat nie büßen.
Die Tochter wusste um das rechtsnationale Gedankengut ihres Vaters. Daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Doch über dieses Attentat und seine Beweggründe hat er zeitlebens geschwiegen. „ Eisernes Schweigen“ nennt Traudl Bünger deshalb auch dieses Buch, bei dem sie versucht, nach dem Tod des Vaters, mehr über die Hintergründe zu erfahren.
Vier Jahre dauert ihre Recherche. Dafür hat sie sich in Archive vergraben, Hunderte von Akten durchsucht, Briefe, Protokolle und Gerichtsurteile gelesen. Aber auch Zeugen befragt, darunter den Zwillingsbruder ihres Vaters, der sich damals, um der Strafverfolgung zu entziehen, nach Südafrika abgesetzt hat. Herausgekommen ist ein über 360 Seiten starkes Buch, das sehr genau und detailliert das Ergebnis ihrer Suche zusammenfasst.
Dabei geht es natürlich auch oft um ihre persönliche Beziehung zum Vater. Denn einerseits war Heinrich Bünger ein verlässlicher Vater, einen, den sie geliebt hat. Gleichzeitig hat sie in ihm das gesehen, was er war: „ ein Rechtsradikaler, ein Täter“. Mit diesen widersprüchlichen Gefühlen gilt es fertig zu werden.
Was Traudl Bünger ebenfalls beschäftigt und was auch ich interessant finde, ist die Frage, warum die Einstellung ihres Vaters nicht auf sie abfärben konnte. Eine genaue Erklärung dafür hat sie nicht, aber eine ungefähre Ahnung: Sie ist zu einer ganz anderen Zeit aufgewachsen als ihr Vater. Die gesellschaftliche Haltung zum Nationalsozialismus war eine völlig andere. Man kannte „ Das Tagebuch der Anne Frank“ und im Fernsehen lief, mit großem Medienrummel begleitet, die amerikanische Serie „ Holocaust“. Ihr Umfeld war sehr kritisch eingestellt. Aber am prägendsten in dieser Hinsicht war die Haltung ihrer Mutter. Die hatte zwar nie mit dem Vater diskutiert und ist ihm auch nie ins Wort gefallen, wenn er sein rechtes Gedankengut verbreitet hat. „ Aber sie hatte ein Gegenmittel: Mitgefühl“. Da man weiß, dass das Verhalten der Eltern größere Auswirkungen hat als all ihr Gerede, ist dieses Argument stichhaltig.
Das Buch wechselt beständig zwischen verschiedenen Text- und Tonarten hin und her. Mal sachlich nüchtern werden Fakten zusammengetragen, werden Dokumente zitiert und ausführlich die Recherchearbeit geschildert. Dann wird es emotionaler, wenn sie versucht, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt ihres Vaters hineinzuversetzen. Wobei sie hier nur spekulieren kann, denn sein beharrliches Schweigen machen verlässliche Aussagen unmöglich. Solche Passagen wären deshalb entbehrlich gewesen.
Interessanter dagegen sind Traudl Büngers Überlegungen zum Umgang des deutschen Staates mit der rechtsradikalen Szene, die sprichwörtliche Blindheit auf dem rechten Auge. Ganz offen konnte sich nach dem Zweiten Weltkrieg die rechte Szene organisieren und vernetzen.
Allerdings ist nicht jeder Gedankengang der Autorin nachvollziehbar, manche Bezüge erscheinen zu gewollt. Und, mein Hauptkritikpunkt, das Buch ist viel zu ausführlich. Nicht jedes Detail ihrer Nachforschung hätte so explizit geschildert werden müssen. Dem Buch hätte eine deutliche Straffung gutgetan.
Empfehlen möchte ich den achtteiligen Doku-Podcast des WDR mit Informationen und Hintergründen des Attentates, nachzuhören in der ARD- Mediathek.
Persönliche Aufarbeitung
Traudl Bünger, 1975 geboren, ist eine deutsche Autorin und promovierte Kulturschaffende. In ihrem neuesten Buch „ Eisernes Schweigen“ beschäftigt sie sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte.
Ihr Vater war Anfang der 1960er Jahre Doktorand der Chemie und mit seinem Zwillingsbruder zusammen verstrickt in einen terroristischen Anschlag.
Zu dieser Zeit war der Südtirol-Konflikt ein großes Thema. Nach dem Zweiten Weltkrieg hofften viele Südtiroler, wieder österreichisch zu werden. Sie fühlten sich seit Jahren unterdrückt von der Regierung Italiens und die rechte Szene in Deutschland solidarisierte sich mit der Unabhängigkeitsbewegung in Südtirol. So auch Heinrich Bünger. Er baute Zeitzünder für Sprengsätze und ließ auch, zusammen mit anderen Männern, eine Bombe in einem italienischen Bahnhof hochgehen. Doch statt wie geplant nachts zu explodieren, wenn niemand mehr am Bahnhof war, ging die Bombe am Nachmittag des 20. Oktober 1962 hoch. Der Zeitzünder hatte versagt, ein Mann kam dabei ums Leben.
18 Jahre lang zog sich das Verfahren gegen ihren Vater hin. Ein Urteil über dreieinhalb Jahre Haft wurde wieder aufgehoben. Letztendlich musste der Vater für seine Tat nie büßen.
Die Tochter wusste um das rechtsnationale Gedankengut ihres Vaters. Daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Doch über dieses Attentat und seine Beweggründe hat er zeitlebens geschwiegen. „ Eisernes Schweigen“ nennt Traudl Bünger deshalb auch dieses Buch, bei dem sie versucht, nach dem Tod des Vaters, mehr über die Hintergründe zu erfahren.
Vier Jahre dauert ihre Recherche. Dafür hat sie sich in Archive vergraben, Hunderte von Akten durchsucht, Briefe, Protokolle und Gerichtsurteile gelesen. Aber auch Zeugen befragt, darunter den Zwillingsbruder ihres Vaters, der sich damals, um der Strafverfolgung zu entziehen, nach Südafrika abgesetzt hat. Herausgekommen ist ein über 360 Seiten starkes Buch, das sehr genau und detailliert das Ergebnis ihrer Suche zusammenfasst.
Dabei geht es natürlich auch oft um ihre persönliche Beziehung zum Vater. Denn einerseits war Heinrich Bünger ein verlässlicher Vater, einen, den sie geliebt hat. Gleichzeitig hat sie in ihm das gesehen, was er war: „ ein Rechtsradikaler, ein Täter“. Mit diesen widersprüchlichen Gefühlen gilt es fertig zu werden.
Was Traudl Bünger ebenfalls beschäftigt und was auch ich interessant finde, ist die Frage, warum die Einstellung ihres Vaters nicht auf sie abfärben konnte. Eine genaue Erklärung dafür hat sie nicht, aber eine ungefähre Ahnung: Sie ist zu einer ganz anderen Zeit aufgewachsen als ihr Vater. Die gesellschaftliche Haltung zum Nationalsozialismus war eine völlig andere. Man kannte „ Das Tagebuch der Anne Frank“ und im Fernsehen lief, mit großem Medienrummel begleitet, die amerikanische Serie „ Holocaust“. Ihr Umfeld war sehr kritisch eingestellt. Aber am prägendsten in dieser Hinsicht war die Haltung ihrer Mutter. Die hatte zwar nie mit dem Vater diskutiert und ist ihm auch nie ins Wort gefallen, wenn er sein rechtes Gedankengut verbreitet hat. „ Aber sie hatte ein Gegenmittel: Mitgefühl“. Da man weiß, dass das Verhalten der Eltern größere Auswirkungen hat als all ihr Gerede, ist dieses Argument stichhaltig.
Das Buch wechselt beständig zwischen verschiedenen Text- und Tonarten hin und her. Mal sachlich nüchtern werden Fakten zusammengetragen, werden Dokumente zitiert und ausführlich die Recherchearbeit geschildert. Dann wird es emotionaler, wenn sie versucht, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt ihres Vaters hineinzuversetzen. Wobei sie hier nur spekulieren kann, denn sein beharrliches Schweigen machen verlässliche Aussagen unmöglich. Solche Passagen wären deshalb entbehrlich gewesen.
Interessanter dagegen sind Traudl Büngers Überlegungen zum Umgang des deutschen Staates mit der rechtsradikalen Szene, die sprichwörtliche Blindheit auf dem rechten Auge. Ganz offen konnte sich nach dem Zweiten Weltkrieg die rechte Szene organisieren und vernetzen.
Allerdings ist nicht jeder Gedankengang der Autorin nachvollziehbar, manche Bezüge erscheinen zu gewollt. Und, mein Hauptkritikpunkt, das Buch ist viel zu ausführlich. Nicht jedes Detail ihrer Nachforschung hätte so explizit geschildert werden müssen. Dem Buch hätte eine deutliche Straffung gutgetan.
Empfehlen möchte ich den achtteiligen Doku-Podcast des WDR mit Informationen und Hintergründen des Attentates, nachzuhören in der ARD- Mediathek.