Transatlantik
Inhaltsangabe zu "Transatlantik"
Neufundland, 1919: Die beiden Flieger Jack Alcock und Arthur Brown unternehmen den ersten Nonstopflug über den Atlantik mit Kurs Irland.Dublin, 1845: Der schwarzamerikanische Abolitionist Frederick Douglass reist durch das von Hungersnot gepeinigte Irland, wo die Leute schlimmer leiden als unter der Sklaverei.
New York, 1998: US-Senator George Mitchell verlässt seine junge Frau und sein erst wenige Tage altes Baby, um in Belfast die Nordirischen Friedensgespräche zu einem unsicheren Abschluss zu führen.
«Transatlantik» verwebt drei ikonische historische Momente mit dem Schicksal dreier Frauen: Angefangen mit der irischen Hausmagd Lily Duggan, in der Frederick Douglass die Liebe zur Freiheit weckt, folgt der Roman ihrer Tochter Emily und ihrer Enkelin Lottie in die USA und, später, zurück auf die Insel. Ihr Leben spiegelt den Verlauf der bewegten Nationalgeschichte Irlands und Amerikas. Dabei spielt ein vergessener, über drei Generationen nicht geöffneter Brief eine entscheidende Rolle.
«Transatlantik» ist ein kraftvolles Epos über die Kollision von Geschichte und persönlichem Schicksal – geschrieben mit unvergleichlicher dichterischer Intensität, mit leuchtenden Szenen und klingender Sprache.
Neunte Strophe der Gangsterballade in Berlins Dreißigern
"Transatlantik" ist die neunte Folge aus der Gereon-Rath-Reihe, dem Kommissar aus dem umstürzlerischen Berlin der 1930er Jahre. Was in dieser Zeit unmöglich erscheint und möglich ist, veranschaulicht auch die Verfilmung mit dem Titel „Babylon Berlin“, die eine eigene Erfolgsgeschichte schrieb, obwohl sie sich nur einiger Figuren- und Plotelemente bedient. Im neunten Roman spitzen sich die Ereignisse aus den Vorgängerromanen weiter zu, auch wenn man diese nicht unbedingt gelesen haben muss. Volker Kutscher gelingt es erneut, sowohl Stimmung als auch logische Beziehungen von Geschichte und Fiktion virtuos in einen Gesamtzusammenhang zu bringen.
Gereon Rath gerät abermals in den Konflikt mit Nazis, Gangstern und dem Schicksal, so dass er als tot gelten muss, um seine Haut zu retten. Aus Furcht vor Vergeltung an seinen Lieben und ihm selbst, flüchtet er nach Amerika, wo auch sein Erzrivale Marlow sein Unwesen treibt. Charly ist daher diesmal in ihrem neuen Lebensabschnitt auf sich allein gestellt. Doch die Geister der Vergangenheit lassen auch sie nicht ruhen. Bald werden ihre Instinkte als ehemalige Polizistin geweckt, als ihre beste Freundin Greta spurlos verschwindet und deren Liebhaber vermutlich ermordet im Garagen-Palast entdeckt wird. Ihr vielen Männerbekanntschaften lassen sie immer wieder zweifeln, wer es gut mit ihr meint, und wer vielleicht Böses im Schilde führt. Eine weitere Mission leitet sie zu ihrem Pflegekind Fritze, der bei der mustergültigen Familie Rademann Schlimmstes erdulden muss. Am liebsten würde sie ihn, zusammen mit dessen Freundin Hannah, aus Nazi-Deutschland befreien und nach Prag flüchten. Aber eine Gesetzmäßigkeit gilt auch hier: Kein Plan führt auf direktem Wege zum Ziel, sei er noch so schön ausgeheckt.
Transatlantik knüpft unmittelbar an die Geschehnisse von Olympia, dem achten Roman, an. Auf fast 600 engbeschriebenen Taschenbuchseiten nimmt Kutscher sich sehr viel Zeit, für die Figurenentwicklung, für Dialoge, manche Anekdoten und Veranschaulichungen der geschichtlichen Ereignisse wie die Verdunkelungsübung der Nationalsozialisten zur Vorbereitung auf den 2. Weltkrieg. Stellenweise hätte eine Straffung dieser charmanten, aber langatmigen Passagen dem Spannungsbogen gutgetan. Aber Kutscher kann sich das nach dem beachtlichen Erfolg erlauben. Und sein lakonischer, pfiffiger Schreibstil gibt ihm in gewisser Weise recht. Echte Langeweile kommt dabei nicht auf. Da die Reihe wohl auf 10 Bände begrenzt werden soll, ist das Bemühen zu erkennen, die teils abenteuerlichen Konstruktionen der Handlungsstränge und der Figuren (von jüdischen Gangstern über korrupte, kriegstreibende Nazis bis hin zu Geschöpfen der Glamourwelt des swingenden Berlins) allmählich zu einem logischen und versöhnlichen Abschluss zu bringen. Dies ist unterm Strich gelungen. Gleichwohl erscheint mir manche Passage als zu unglaublich, als dass sie den Lesefluss ungetrübt beließe (z. B. die logischen Schwächen bei dem Kunststück, als der Attentäter Lembeck mitten in der Menschenansammlung angeblich unbemerkt einen Aufseher mit einem unhandlichen Eigenbau-Elektroschocker von 1937 außer Gefecht setzt, um Charly zu verfolgen oder bei Charlys unbedingt persönlicher Verfolgung in Görings Domizil Carinhall, als gäbe es keine andere Methode für eine Warnung vor einem Attentat, die dann dazu führt, dass sie komödienhaft nacheinander mehrere Wachleute übertölpelt bzw. übertölpeln muss). Dies führt dann auch – trotz sehr guter Unterhaltung – zu einem Stern Abzug. Band 10 dürfte das furiose Ende bilden.