Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten
![Buchseite und Rezensionen zu 'Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten' von Becky Chambers](https://images-eu.ssl-images-amazon.com/images/I/51ucZbdwFlL.jpg)
Inhaltsangabe zu "Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten"
Willkommen an Bord der Wayfarer!
Becky Chambers hat mit ›Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten‹ eine zutiefst optimistische Space Opera geschrieben, die uns den Glauben an die Science Fiction (im Besonderen) und an die Menschheit (im Allgemeinen) zurückgibt.
Als die junge Marsianerin Rosemary Harper auf der Wayfarer anheuert, wird sie von äußerst gemischten Gefühlen heimgesucht – der ramponierte Raumkreuzer hat schon bessere Zeiten gesehen, und der Job scheint reine Routine: Wurmlöcher durchs Weltall zu bohren, um Verbindungswege zwischen weit entfernten Galaxien anzulegen, ist auf den ersten Blick alles andere als glamourös.
Die Crewmitglieder, mit denen sie nun auf engstem Raum zusammenlebt, gehören den unterschiedlichsten galaktischen Spezies an. Da gibt es die Pilotin Sissix, ein freundliches und polyamoröses reptilienähnliches Wesen, den Mechaniker Jenks, der in die KI des Raumschiffs verliebt ist, und den weisen und gütigen Dr. Chef, der einer aussterbenden Spezies angehört.
Doch dann nimmt Kapitän Ashby den ebenso profitablen wie riskanten Auftrag an, einen Raumtunnel zu einem weit entfernten Planeten anzulegen, auf dem die kriegerische Rasse der Toremi lebt. Für Rosemary verwandelt sich die Flucht vor der eigenen Vergangenheit in das größte Abenteuer ihres Lebens.
›Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten‹ wurde für zahlreiche Preise nominiert, u.a. für den Kitschies Award, den Baileys Women’s Prize for Fiction und den Arthur C. Clarke Award.
Lese-Highlight aus dem Jahr 2017
Hopepunk als Wortschöpfung geht auf die Idee von Alexandra Rowland zurück, als sie 2017 auf ihrem (alten) Tumblr schrieb “Das Gegenteil von Grimdark ist Hopepunk, sagt es weiter.” Ob ein Glas für sie halbvoll oder halbleer ist, war irrelevant - Hauptsache es ist Wasser drin. Und das ist quasi die Quintessenz von Hopepunk. Jeder Mensch kann kleinlich, grausam oder gemein sein, aber sie haben auch die Fähigkeit, Gutes zu tun, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, sich um andere zu kümmern. Wie stark das ausgeprägt ist, repräsentiert der Wasserstand im Glas.
Es heißt nicht nur, Mut zu haben, für Schwache einzutreten, sondern auch freundlich zu sein. Ebenso bedeutet es, dass sich Personen mit einem gewissen Respekt begegnen und persönliche Anfeindungen nicht zu unbegründeten Hass umschwenkt. Empathie liegt dabei wesentlich im Fokus und vermittelt die Akzeptanz von Hautfarbe, sexueller Orientierung und privaten Lebensentwürfen.
Mit einer Kickstarter-Kampagne und der Hoffnung, unterstützt zu werden, lag Becky Chambers nicht falsch, denn genau so hat der Roman “Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten” das Licht der Welt erblickt. Was gut ist, denn dieses Buch müsst ihr lesen!
Der Roman beginnt mit einem Streitgespräch zwischen Ashby Santoso, dem Captain des Tunneler-Schiffs Wayfarer, und Artis Corbin, dem Algaeisten, der Treibstoff für eben jenes Raumschiff produziert. Corbin beschwert sich über den noch nicht eingetroffenen Neuzugang Rosemary Harper, eine blutjunge Marsianerin, die an Bord als Verwaltungsassistentin des Captains arbeiten soll. Es fallen böse Worte, aber der Captain bleibt sachlich und weist den Treibstoff-Experten effektiv in seine Schranken, so dass er am Ende die Aufgabe erhält, Rosemary in Empfang zu nehmen und herumzuführen.
Damit hat die Autorin schon direkt die Messlatte für den Leser hochgehoben: Wer hier mitliest, der findet zwar auch unsympathische Charaktere, aber Moral und Kommunikation werden groß geschrieben.
So lernen wir schnell die restliche Mannschaft kennen: Kizzy Shao, die Mechtech, die alles repariert, Jenks, der Comptech, der sich um die KI des Schiffes Lovelace kümmert, die Aandrisk Pilotin Sissix, die einer reptiloiden Spezies angehört, sowie im weiteren Dr. Koch, Koch und Arzt aus der aussterbenden Spezies der Grum, und Ohan, ein Sianatpaar, das aufgrund ihrer Fähigkeiten als “Lochbohrer” essentiell wichtig als Navigator für die Wayfarer ist. Denn ein Tunneler-Schiff hat die Aufgabe, Sternsysteme zu verbinden.
Das Buch wird als eine “zutiefst optimistische Space Opera” beschrieben, die uns den Glauben an die Science Fiction (im Besonderen) und der Menschheit (im Allgemeinen) zurückgeben soll, und das kann ich voll unterstreichen. Sicherlich gibt es immer Reibereien zwischen den Charakteren, aber (wie eingangs schon beschrieben) nie unter der Gürtellinie. Die Handlung bleibt spannend und ist geprägt von Humor, Herzwärme und Hilfsbereitschaft.
Dabei bleibt der Roman trotzdem abenteuerlustig und implementiert clevere Ideen, um die persönlichen Schicksale der Mannschaft zu erzählen - manchmal auch mit vorgehaltenem Spiegel - aber immer respektvoll. Das mag zwar dazu führen, dass der Eindruck entsteht, die Charaktere entwickeln sich nicht weiter, aber wer diese Stärke als Schwäche auslegt, hat nicht verstanden, was das Buch ausmacht.
Wer also eine tiefe Hintergrundgeschichte oder einen Höhepunkt erwartet, den wird das Buch enttäuschen. Aber wer sich darauf einlässt, der wird zum Fühlen und Erleben angeregt, und so lädt die Geschichte dazu ein, auch über sich selbst zu reflektieren. Das Buch ist mein persönliches Lese-Highlight aus dem Jahr 2017.