Porträt auf grüner Wandfarbe
Das „Porträt auf grüner Wandfarbe“ hätte ich ja zu gern einmal selbst gesehen, am liebsten natürlich in seiner angestammten Umgebung auf dem Gutshof nahe Köslin an der Ostsee. Da ergeht es mir wie der etwas blass geratenen Protagonistin Gwen, die völlig unvermutet nach der Wende von ihrer Tante Lily zu einer Reise auf den Spuren ihrer Familie nach Polen ermuntert wird und dabei so manches Beziehungsgeflecht, Geheimnis und Schmuckstück zutage fördert.
Elisabeth Sandmann nimmt den Leser mit auf eine Expedition durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu einer detektivischen Schnitzeljagd durch Familienschweigen, falsche Annahmen und Entfremdungen. Aufgespannt wird diese kurzweilige und faszinierende Familiensaga zwischen bildhübschen, detailliert beschriebenen Kulissen wie Oxford, Schloss Elmau, Salzburg und der Ostsee, Orte, die Dreh- und Angelpunkte in der Familienhistorie sind.
Bevölkert wird der Roman von einer Vielzahl von Personen, denen die Autorin viel Zeit widmet. Während die flamboyante Großmutter Ilsabé mitunter etwas überzeichnet erscheint, kann man sich mit allen anderen Figuren (trotz leicht stereotyper Tendenzen) sehr gut anfreunden. Besonders erfrischend ist, dass es in diesem Roman mal keinen unsympathischen Bösewicht von der Stange gibt. Die Tragödien, der Kummer und das Leid, die die Familie heimsuchen, sind allesamt dem zeitlichen Kontext und der politischen Lage geschuldet. So kann man sich mit dem Figurenpersonal durchweg zuhause fühle, sich an den verschiedenen Handlungssträngen erfreuen und rätseln, welche Wendung das Schicksal wohl als Nächstes bereithält, auch wenn so manche Entwicklung sich zunehmend andeutet und daher nicht zu überraschen vermag. In diesen leichten Kritikpunkt spielt auch der Eindruck hinein, dass der Roman an einigen Stellen zu deutlich konstruiert ist. Zwar passt bei der Handlung ein Puzzlestück ins andere, aber der Fluss des Geschehens wird zu stark in den Dienst der Konstruktion gestellt – es muss sich schließlich alles irgendwie am Ende fügen. Mich persönlich hat dies nicht gestört, ich war eher von dem sehr übertriebenen Teegenuss der Figuren irgendwann genervt.
Für mich ist „Porträt auf grüner Wandfarbe“ ein süffiger, sehr gut lesbarer, niemals langweiliger Schmöker mit sympathischen Figuren, einem Hauch Nostalgie und malerischen Settings, der einem herrliche Lesestunden zum Abtauchen bescheren kann. Im Vergleich zu vielen anderen Romanen des Genres bietet er deutlich mehr Abwechslung, ist ansprechend konzipiert und stimmt mit seinem Thema des Verlusts durchaus nachdenklich. Ich hätte am Ende zwar auch mit sehr viel weniger Happy End leben können, aber vermutlich fordert dieser Roman einen solchen Abschluss, um der Trauer des Lebens etwas entgegensetzen zu können. Eine Leseempfehlung für Liebhaber von üppigen Familiensagas mit Niveau, die jedoch damit leben können, dass die Überraschungen, die die Vergangenheit bietet, begrenzt sind.
Gwen wird von ihrer Tante Lily gebeten, sie auf eine Reise in die frühere Heimat der Familie zu begleiten. In der Familie wurde nie viel über Vergangenes gesprochen und nun sieht Gwen eine Chance, mehr über ihre Familie zu erfahren. Bei ihrem Vater entdeckt sie alte Dokumente, die ihre verstorbene Mutter aufbewahrt hatte. Anhand der Unterlagen taucht sie tief in die Familiengeschichte ein und erfährt so von der komplizierten Freundschaft zwischen Ella und Ilsabé. Bei ihrer Reise in die Vergangenheit deckt sie so manches Geheimnis auf.
Dieser wunderbare Roman hat mich gleich mitgenommen und ich habe Gwen gerne bei ihren Nachforschungen begleitet. Die Geschichte wechselt immer wieder zwischen den Zeiten. Die Aufzeichnungen von Ella reichen bis ins Jahr 1938 und führen uns durch eine bewegte Zeit.
Der Schreibstil ist einfühlsam und angenehm zu lesen. Es brauchte allerdings ein Weilchen, bis ich alle Personen einordnen konnte.
Die sympathische Ella stammt aus einfachen Verhältnissen. Sie möchte ein eigenständiges Leben führen und schafft das dank ihrer Zielstrebigkeit auch. Als sie die glamouröse Ilsabé. Kennenlernt, freunden sich die ungleichen Frauen an. Doch diese Freundschaft ist nicht immer einfach. Ilsabé ist Gwens Großmutter, inzwischen 94 Jahre alt und nicht besonders gesprächig, wenn es um die Vergangenheit geht. Doch Gwen möchte mehr über die Familiengeschichte erfahren. Aber immer wieder stößt sie mit ihren Fragen auf Schweigen, dennoch forscht sie weiter und setzt Puzzlestück für Puzzlestück zu einem Bild zusammen. Sie erfährt von der besonderen, aber auch komplizierten Freundschaft von Ilsabé und Ella. Die beiden Frauen haben in ihrem Leben viel erlebt und auch Tragisches ertragen müssen.
Erst zum Ende hin erklärt sich auch der Titel des Buches.
Mir hat diese spannende und berührende Geschichte gut gefallen.
Das Buch konnte mich leider nicht restlos begeistern.
Die Grundidee finde ich toll und einige Aspekte der Geschichte haben mir auch durchaus gut gefallen. Zum Beispiel das Thematisieren von Schuld innerhalb der Familie über Generationen hinweg, die dadurch ausgelösten Empfindungen. Mir haben Ellas Erzählungen aus der Vergangenheit sehr viel besser gefallen, als die Gegenwart. Ella als Figur wirkt auf mich sehr viel sympathischer und zugänglicher, als alle anderen Figuren. Gwen, Theo, Lily – alle blieben mir immer fremd und oberflächlich. Mich hat auch zunehmend diese permanente groß aufgeblasene Geheimniskrämerei genervt. Es gibt keine einfachen Erklärungen, alles ist so super geheim, dass selbst Gwen als Hauptfigur Glück hat, gelegentlich ein paar Brocken der Zusammenhänge hingeworfen zu bekommen. Es gibt an jeder Ecke ein neues großes Familiengeheimnis, das gelöst werden muss. Was eben noch absolut wichtig und dringend war, wird dann relativ zügig abgehandelt. Man hat nur manchmal nicht das Gefühl, dass es vorwärts geht. Es wirkt auf mich dann sehr überladen. Zu viele Dinge, die einander gereiht sind. Es fehlte mir da einfach an Persönlichkeit, etwas, dass die Geschichte für mich greifbar und miterlebbar macht. Schade, ich hatte mir hier mehr erhofft.
Komplexer und detailverliebter Familienroman
Im Jahre 2004 wurde der Elisabeth-Sandmann-Verlag gegründet, der sich unter dem Motto „Schöne Bücher für kluge Frauen“ einer Literatur widmet, die u. a. starke Frauenpersönlichkeiten in den Mittelpunkt stellt. Schon ein Jahr nach der Gründung landete Elisabeth Sandmann einen Bestseller mit Stephan Bollmanns Buch „Frauen, die lesen, sind gefährlich“.
Elisabeth Sandmanns erster Roman, ein opulenter und komplexer Familienroman, passt zum Motto ihres Verlages. Auch hier wird die Handlung ebenfalls von kraftvollen Frauen getragen.
Gwen Farleigh, eine junge Engländerin, wird von ihrer Tante Lily zu einer Reise in den ehemals deutschen Osten überredet. Lily will ihre alte Heimat wiedersehen und das Gut in Pommern besuchen, auf dem sie und ihre Geschwister aufgewachsen sind. Gwen lässt sich überreden, und nun beginnt eine Reise in die Familienvergangenheit.
Auf zwei Zeitebenen und in drei Generationen entrollen sich dramatische Konflikte, Geschichten um Freundschaft, Liebe und Liebesschmerz, um Verrat, Betrug und vor allem um Lügen und Geheimnisse. Diese familiären Dinge werden eingebettet in die Ereignisse der Zeitgeschichte, es geht also auch um die beiden Weltkriege, um Inflation, um Kunstraub, um Vertreibung, Judenverfolgung, Exil und die Nachkriegszeit. Trotz der vielen Rückblicke innerhalb der Zeitebenen gelingt es noch, den Überblick zu wahren.
Verwirrender ist die Fülle an Personen, die den Überblick zunehmend schwieriger macht. Das Anfertigen eines Stammbaums erwies sich nur kurz als hilfreich, da auch Nachbarn, Freunde u. ä. in die Handlung mit einbezogen wurden. Wer war Anton – Phil – und wer nochmal Antje???
Dazu kommt, dass die Figuren eher blass und konturlos erscheinen. Der Leser erfährt jede Menge Details über Speisefolgen und darüber, ob jetzt Sancerre oder Barolo getrunken wird. Auch das Wann, Wie und Wo des Tee-Trinkens wird ausführlich erzählt. Und vor allem erfährt der Leser jede Menge Details zu der Kleidung der Damen. Bei dieser Detailfülle kommt die Charakteristik der Figuren gelegentlich zu kurz und macht oberflächlichen Aussagen Platz. So wird z. B. Ella „eine natürliche Anmut“ attestiert, eine andere weibliche Figur (wer??) „sah in der ihr eigenen Art bezaubernd aus“, und Männer haben meist „sensible Hände“. Damit lädt die Autorin ihre Leser zwar zu einer problemlosen Identifikation mit ihren Figuren ein, aber diese Trivialität macht die Figuren auch austauschbar.
Auch die Protagonistin Gwen verliert immer wieder den Überblick, aber praktischerweise findet sich dann wieder ein vergessener Koffer (2 x) und, ebenfalls zwei Mal, ein geheimes Versteck, eine Dokumentenmappe u. ä., so dass die Spurensuche wieder in Gang kommt. Die Geheimnisse, die ans Tageslicht gezerrt werden, sind teilweise durchaus dramatisch, aber zum großen Teil eher banal und verdienen das Wort „Familiengeheimnis“ nicht.
Insgesamt hätte dem Roman eine Kürzung und die Fokussierung auf stringente Handlungsabläufe gutgetan. Wie so oft gilt: weniger ist mehr.
Die Sprecherin Elisabeth Günther bemüht sich nach Kräften, den vielen Figuren ihre eigene Stimme zu geben. Das gelingt nicht immer, v. a. bei den älteren Männern senkt sie ihre Stimme zu einem phlegmatischen Dunkel herab, um dann bei einigen der Frauenfiguren schrill, fast schneidend zu werden. In den reinen Erzählpassagen kann man ihre geschulte und klare Stimme entspannt genießen.
Fazit: eine verworrene Familiengeschichte, die mich eher enttäuscht zurückließ.
Und wenn ich an das Verlagsmotto denke, darf ich mich jetzt entscheiden: Ist das kein "schönes Buch" oder bin ich keine "kluge Frau"?
2,5 von 3 *