Blue Skies: Roman
Im Mittelpunkt von T.C. Boyles neuem Roman Blue Skies steht eine ganz normale, der oberen Mittelschicht angehörende Familie. Frank ist Arzt und lebt mit seiner Frau Ottilie in Kalifornien. Sie haben eine Tochter - Cat – und einen Sohn – Cooper. Die Tochter heiratet einen jungen Mann namens Todd und zieht in das Elternhaus ihres Mannes an der Ostküste Floridas. Sie will eine erfolgreiche Influencerin werden und kauft sich eines Tages eine kleine Schlange. Sie verspricht sich einen Riesenerfolg, wenn sie Bilder mit der wie ein Accessoire um die Schultern gelegten silbernen Schlange ins Netz stellt. Ihre Familie hat wenig Verständnis für diese Marotte. Ihr Bruder Cooper ist Entomologe und hat sich schon als kleiner Junge für Käfer und Insekten interessiert. Er engagiert sich stark für Maßnahmen zur Rettung des Planeten und überredet seine Mutter zu einer radikalen Umstellung der Ernährung. Die Mutter beginnt, Grillen zu züchten und serviert sie in unterschiedlicher Form auch ihren Gästen. Dann ereignen sich die ersten Katastrophen. Cooper wird von einer Zecke gebissen und gerät in Lebensgefahr. Cat ist mitschuldig an einer Katastrophe in ihrer jungen Familie mit den kürzlich geborenen Zwillingsmädchen Sierra und Tahoe. Die privaten Krisen finden ihre Entsprechung in den globalen, die Boyle thematisiert: Während in Kalifornien eine extreme Dürre herrscht und immer wieder Brände ganze Landstriche zerstören, regnet es in Florida fast ununterbrochen. Überschwemmungen zerstören Ortschaften, und die Menschen stehen vor dem Nichts. Cats und Todds Haus ist durch Feuchtigkeit und Termiten stark beschädigt, und Cat muss viele Wege mit dem Boot erledigen. Dann setzt ein Massensterben nicht nur von Bienen, sondern von allen Arten von Insekten ein. Für Cooper bleibt bald nichts mehr zu erforschen.
T.C. Boyle zeichnet ein realistisches und kenntnisreiches Bild einer Apokalypse, die in ihren Anfängen schon sichtbar ist: die Gletscherschmelze und die Erwärmung der Meere, Überflutung von tief gelegenen Inseln und Küsten überall auf der Welt, das Artensterben, Pandemien… Am Ende ist nichts mehr normal. Die gewohnte Lebensweise der Menschen mit sorglosen Partys und gedankenlosem Umgang mit den Ressourcen ist überholt. Blue Skies ist ein Roman, der den Leser ängstigt und deprimiert. Dennoch ein gutes, empfehlenswertes Buch, weil es zum Nachdenken anregt.
„Blue Skies“: in dieser Satire (jedenfalls halte ich diesen Roman dafür) von T. C. Boyle geht es um Cooper, seine drei jeweiligen Freundinnen und seine Eltern Ottilie & Frank, die alle in Kalifornien wohnen. Ottilie kocht gern und so probiert sie sich gehorsam durch die Haltungsbedingungen vieler frittierbarer Insekten der Welt. In „diesem“ Kalifornien ist es immer heiß, manchmal brennt es, daher das breit lodernde, grell orangefarbene Feuer auf dem Cover.
Der andere Teil der Familie: Coopers Schwester Catherine, genannt Cat, wohnt in Florida, wo es immer regnet, oft stürmt und alles dauernd überschwemmt ist. Eine klimatische Mischung der beiden Bundesstaaten wäre gut, aber das geht ja nun mal leider nicht. Cat ist mit Todd zusammen, einem Bacardi-Repräsentanten und manchmal hat sie Haustiere. Z. B. einen männlichen, sehr freiheitsliebenden, Tigerpython namens Willie, den sie sich um den Hals legt, wenn sie eine Bar aufsucht, was ziemlich oft passiert. Ebenfalls ziemlich oft passiert es, dass Willie aus seinem Terrarium abhaut.
Und weil Todd weder Tierhaare noch Babys mag, hatte Cat nicht viel Auswahl bei ihrer sonstigen Gesellschaft. Denn er selbst ist meistens auf Reisen und feiert weltweit seine ausschweifenden Bacardipartys. Manchmal darf sie mit, aber meistens nicht, denn das wäre doch eher geschäftsschädigend für seine weibliche Bacardi-Fangemeinde.
Dann passiert etwas so Schreckliches, dass der Leser erstmal nach Luft schnappt. Das Kopfkino springt an und lässt einen tagelang nicht wieder los. Leider – oder zum Glück – kann das hier natürlich nicht verraten werden. Durch das Schreckliche ändert sich alles und die Protagonisten sind beschäftigt. Dabei könnte alles doch so schön sein. Wenn man nur die Zeit ein ganz klein wenig zurückdrehen könnte.
Einiges wird uns allerdings hier untergejubelt, z. B. auf S. 151: „Und sie hatten ja auch einen Wagen mit Elektromotor, was den CO2-Ausstoß reduzierte, aber natürlich brauchte so ein Wagen auch ein Kraftwerk, in dem irgendwas verbrannt wurde.“ Und selbstredend ist Cat gegen Covid geimpft und zweimal gegen Varianten geboostert. (S. 150) Zum Schluss, auf Seite 394, dürfen wir dann noch ein Loblied auf die Chemtrails lesen, folgerichtig hätte dann der Himmel auf dem Cover eher weiß als blau sein müssen.
Fazit: Eine bunte Mischung aus zwei amerikanischen Bundesstaaten. Aber Achtung, auch wenn’s wie Satire klingt, so scheint uns doch das Nach-Corona-Narrativ des Klimawandels immer wieder übergebügelt zu werden. Beim dennoch versöhnlichen Ende dürfen wir dann wieder etwas aufatmen.
Der 74jährige T.C.Boyle ist einer der ( vor allem in Deutschland ) erfolgreichsten und interessantesten US-amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. In seinen Büchern greift er gerne aktuelle Themen auf, so auch in seinem neuesten Roman „ Blue Skies“.
Der Titel und das Cover stehen aber nicht für unbeschwertes Sommerfeeling, sondern für einen beständigen wolkenlosen Himmel und somit für extreme Trockenheit und Dürre. T.C.Boyle thematisiert hier die Klimakatastrophe und ihre Auswirkungen auf die Menschen und ihren Alltag.
Das macht er ganz konventionell anhand einer Familiengeschichte. Im Zentrum stehen die Eltern Ottilie und Frank mit ihren beiden erwachsenen Kindern Cooper und Cat.
Die Tochter lebt mit ihrem Verlobten Todd, einem Werbebotschafter für Baccardi- Rum in Florida in einem geerbten Strandhaus. Cat, oberflächlich und gelangweilt, kauft sich aus einer Laune heraus eine Tigerpython und erhofft sich als „ Schlangenlady“ einen großen Erfolg als Influencerin.
Cooper dagegen hat als Insektenforscher die Zeichen der Zeit erkannt. Schon lange weiß er um das dramatische Insektensterben und dessen Folgen. „ Der Planet stirbt, siehst du das nicht?“ fragt er seine Mutter. Doch die versucht dagegen anzugehen, bewusster und nachhaltiger zu leben. Zuerst einmal stellt sie die Ernährung um, besorgt sich einen Grillenbrutapparat und serviert ihren Gästen Cookies aus Grillenmehl und frittierte Heuschrecken.
Aber es sind hilflose Versuche, etwas aufzuhalten, was schon längst in der Realität angekommen ist. Der Mensch hat schon viel zu lange gegen die Natur gelebt und nun schlägt sie zurück. Boyle lässt die Familie von einer Katastrophe in die nächste wanken.
Cats wenig artgerechte Haltung einer gefährlichen Würgeschlange in einem Terrarium in ihrem Haus hat Folgen. Willie, wie die Python zärtlich von Cat genannt wird, verschwindet eines Tages spurlos, um erst dann wieder aufzutauchen, um von der als Ersatz gekauften zweiten, etwas größeren Schlange aufgefressen zu werden. Das ist aber erst der Anfang, die eigentliche Tragödie für Cat und ihre Familie wird noch kommen.
Auch bei Ottilie läuft einiges schief. Ihre euphorisch begonnene Aufzucht von Grillen endet damit, dass eines Morgens alle Tiere im Brutapparat tot sind. Und der nächste Versuch mit einem Bienenstock endet genauso. Was kann man denn noch tun, fragt sich Ottilie verzweifelt und schwimmt erstmal ein paar Runden im Pool.
Während viele nützliche Insekten aussterben, vermehren sich Zecken rapide und werden zu einer lebensbedrohenden Gefahr. Das bekommt Cooper nach einem Zeckenbiss schmerzhaft zu spüren.
Doch nicht nur die Tiere spielen verrückt, sondern auch das Wetter. In Kalifornien, wo Cooper und seine Eltern leben, brennt eine unbarmherzige Sonne vom Himmel und treibt das Thermometer ständig nach oben. Seit Monaten fällt kein Tropfen Regen, der Boden ist dürr und unfruchtbar und der kleinste Funke lässt Häuser und Wälder brennen.
Bei Cat und Todd in Florida dagegen regnet es unablässig. Der Meeresspiegel steigt, die hölzernen Stützpfähle vom Strandhaus faulen im Wasser und Termiten nisten sich im feuchten Holz ein. Die meisten Nachbarn haben ihre Häuser bereits verlassen, nur Cat versucht auszuhalten, auch wenn das heißt, dass sie ihr Haus nur noch mit dem Boot verlassen kann.
T.C. Boyle kennt keine Gnade mit seinen Figuren. Er zeichnet sie als typische Zeitgenossen, die entweder unbeirrt an ihrem Lebensstil festhalten und die Fakten ignorieren wie Cat und Todd oder als hilflose Endzeitpropheten, die mit ihren Statistiken dagegenhalten wie Cooper und seine Wissenschaftskollegen.
Einzig Ottilie gehört die volle Sympathie des Lesers. Ihre Versuche die Katastrophe aufzuhalten wirken gleichzeitig rührend und hilflos. Der Alkoholkonsum aller Protagonisten wird im Verlaufe des Romans enorm ansteigen.
Aber der Autor mutet ihnen auch viel zu. Immer wenn man denkt, es reicht, folgt der nächste, noch härtere Schicksalsschlag.
T.C.Boyle beginnt seine Geschichte in der Gegenwart und lässt sie in einer nahen Zukunft enden. Er entwirft ein sehr realistisches Szenario und zeigt, wie ganz gewöhnliche Menschen damit umgehen. Lösungen kann er keine bieten, Schlüsse muss der Leser selber ziehen. Man erfährt hier auch nicht unbedingt Neues, doch dadurch, dass er die bekannten Fakten in eine Erzählung einbindet, erreicht er den Leser auf der emotionalen Ebene.
Manches ist satirisch überspitzt, das sorgt für Witz und Komik, trotz des ernsten Themas.
Viele der vierundzwanzig Kapitel enden mit einem Cliffhänger. Das macht den Roman zu einem unglaublich spannenden, aber auch erschreckenden Leseerlebnis. Der Autor spart nicht mit drastischen und verstörenden Szenen.
Nur am Ende gönnt er dem Leser einen kleinen Lichtblick.
Wenn eine Katastrophe für sich selbst spricht
Boyle lotst uns hier mitten in eine Klimakatastrophe, die so viel prognostiziert und wohl auch ungefähr so stattfinden wird. Wir werden also in unsere nahe Zukunft geführt und kommen sehr schnell mit unseren eigenen Vermeidungsstrategien in Kontakt.
Der Verfall der Normalität wird aus der Sicht einer Familie geschildert, unterschiedliche Generationen, die Mehrheit lebt in Kalifornien, die Tochter allerdings in Florida, zwei von der Topographie sehr unterschiedliche Regionen, die nicht nur bei den Amerikanern derzeit noch für „angenehmes Leben“ stehen.
Das wird nicht so bleiben. Florida versinkt in immer öfter auftretende Überflutungen, Kalifornien verdorrt. Wasser ist Mangelware.
Der Mensch versucht sich anzupassen, scheitert aber immer wieder am Unvermögen, sich einzuschränken, was die Umgebung von ihm aber fordert. So kann und wird man nicht überleben.
Es ist faszinierend, wie Boyle die Geschichte webt. Er baut gewohnt gekonnt einen Spannungsbogen auf, um ihn dann wieder aufzugeben, zeitweise ändert er auf der Spitze die Zeit oder die erzählende Person, so dass man beinahe erleichtert ist, die offensichtlich unangenehme Situation, da sie genau beschreibt, was uns blüht, wieder verlassen kann.
Boyle wirkt gnädig, seine gewohnt provozierende Art wirkt hier gemässigt. Ist der Autor im Alter etwa sanft oder weise geworden?
Ich denke, es ist die Klimakatastrophe selbst, die die Spannung hält und keine zusätzliche Effekthascherei benötigt. Es ist also Weisheit und wohl auch Erfahrung des Schreibend, da der Thematik mit Sanftheit begegnet werden muss, sonst hält man sie nicht aus und muss wieder in Illusionen oder Verleugnung flüchten.