Anmut im märkischen Sand

Buchseite und Rezensionen zu 'Anmut im märkischen Sand' von Christine von Brühl
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3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Anmut im märkischen Sand"

Format:Taschenbuch
Seiten:463
EAN:9783746633060

Rezensionen zu "Anmut im märkischen Sand"

  1. 3
    12. Mär 2023 

    Das kulturelle Erbe Preußens

    Zur Autorin (Quelle: HP Christine Brühl)

    Christine von Brühl wurde 1962 in Accra geboren. Von dort ging es – ihr Vater war Diplomat – weiter nach London, Bonn, Brüssel, Singapur und Polen. Nach dem Studium der Slawistik, Geschichte und Philosophie und ihrer Promotion über Anton Tschechovs Dramenwerk zog sie 1991 nach Dresden. Sie schrieb unter anderem für die Sächsische Zeitung, Die Zeit und Das Magazin und veröffentlichte Reiseführer und Bildbände. 1995 zog sie nach Berlin, wurde 2000 Fellow im Reuters Foundation Programme Oxford und arbeitete anschließend als Auslandskorrespondentin für facts und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in London. Als Stipendiatin der Volkswagen AG kehrte sie 2002 zurück und partizipierte am Programme for Advanced Journalism der Freien Universität. Seitdem lebt sie wieder als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin. Heute publiziert sie Sachbücher und Romane, arbeitet als Ghostwriterin und engagiert sich bisweilen journalistisch mit Beiträgen in Der Spiegel, Das Magazin u.a.

    Mein Leseeindruck:

    Was an Preußen bis heute beeindruckt, sind die kulturellen Hinterlassenschaften: Schlösser, Parks, Museen, Universitäten etc. Christine von Brühl widmet sich in ihrem Buch dem kulturellen Erbe Preußens, und das sieht sie überwiegend als Leistung der Ehefrauen der preußischen Kurfürsten und Könige.

    Von daher ergibt sich die strenge Gliederung ihres Buches. In 16 Kapiteln werden die einzelnen Herrscherinnen vorgestellt, und jeder Ehefrau wird ein Bauwerk zugeordnet – sei es ein Schloss, eine Gartenanlage oder auch eine Kirche. Die Kapitel kann man chronologisch lesen, und hier erweist sich der vorangestellte reduzierte Stammbaum als Orientierungshilfe. Es spricht aber nichts dagegen, die Kapitel nach Lust und Laune zu lesen.

    Alle Kapitel sind identisch aufgebaut. Der Leser wird mit einem Bild der jeweiligen Herrscherin konfrontiert, anschließend erfolgt eine aktuelle Zustandsbeschreibung des ausgewählten Bauwerks, dann eine kurze Biografie, in der auch die Herkunftsfamilie vorgestellt wird, dann wird das Bauwerk in seiner Historizität vorgestellt, ebenfalls mit einem kleinen Bild. Das Titelbild (Quelle?) besticht durch seine schöne Farbigkeit und seine Anspielung auf die Farbe Preußisch-Blau – leider sind die Bilder im Inneren des Buches alle schwarz-weiß bzw. grau und zudem sehr klein. Wieso nicht mehr Bilder? Hier hätte die strenge Gliederung zugunsten einer größeren Anschaulichkeit durchbrochen werden können.

    16 unterschiedliche Frauen rücken über die Jahrhunderte hinweg nahe an den Leser heran. Die Frauen, die uns hier begegnen, sind sehr unterschiedlich. Darunter finden sich solche kraftvollen und intelligenten Naturen wie die Oranierin Luise Henriette, die Frau des Großen Kurfürsten, die mit Tatkraft und wirtschaftlichem Verstand die Folgen des 30jährigen Krieges abmilderte. Interessant ist auch die Geschichte der Auguste Gräfin Harrach, die die Nachfolgerin der legendären Königin Luise wurde. Oder aber die dicke Sophie Dorothea, die Frau Friedrich Wilhelms I., des Soldatenkönigs, die nicht nur spielsüchtig war, sondern auch ungeheure Summen für ihre Porzellansammlung ausgab.

    Gerade in diesem Kapitel zeigt sich aber der große Nachteil des Buches: eine Art von Schönfärberei oder eingeengtem Blick, wie man es auch immer nennen will. Sophie Dorotheas Sammlungsleidenschaft wird „als hochgradig visionär“ (S. 162) bezeichnet, als „Revolte“ (ebda) gegen ihren „zornigen und hässlichen“ Mann, und ihre Sammlung ist ein „Schlaglicht auf das kulturelle Vermögen jener Zeit“ (S. 162), während ihr Ehemann, Friedrich Wilhelm I., angeblich ohne jedes Kunstverständnis, alle Künstler (bis auf Pesne) entließ und die Ausgaben des Hofes radikal auf fast ein Fünftel senkte, weil er „sparsam bis an den Rand des Geizes“ (S. 166) war.
    So einfach darf man es sich nicht machen! Keine Rede von der hohen Verschuldung des Staates und dem Zwang zur Entschuldung und auch der persönlichen Sparsamkeit des Königs, und auch keine Rede von den wirtschaftlichen Förderprogrammen im Rahmen des Merkantilismus, um Preußen zu bescheidenem Wohlstand zu verhelfen. Dorothea gibt mit vollen Händen das Geld (das immerhin von ihren Untertanen aufgebracht wurde…!) am Spieltisch und für ihre Sammlungswut aus, und es hätte der Autorin gut angestanden, diese Zusammenhänge wenigstens zu vermerken.

    Allen Frauen ist eines gemeinsam: ihre wichtigste Aufgabe ist die Produktion von männlichen Nachkommen zur Sicherung der Dynastie. Ansonsten hatten sie wenig zu tun und suchten sich daher Betätigungsfelder, die ihrer Erziehung und ihren Interessen entsprachen. Diese Betätigungsfelder lagen überwiegend im Bereich der höfischen Repräsentation, und so entstand eine Fülle an prächtigen Bauten, die bis heute die preußische Identität verkörpern und deren Geschichte daher von der Autorin bis heute verfolgt wird. Den Beschreibungen räumt die Autorin sehr viel Platz ein, oft mehr als der Biografie. Zudem sind sie zu oft reine Beschreibungen des vorhandenen Bildes – und wenn andere, nicht abgebildete Bauwerke u. ä. auch noch beschrieben werden, beschleicht einen eine gewisse Ermüdung, und man fragt sich wieder, wieso nicht kurzerhand ein Bild eingefügt wird. Manchmal fragt man sich allerdings auch grundsätzlich nach Sinn und Zweck des Ganzen.

    Dennoch: die Beschreibungen bieten Anreize für eigene Erkundungen, auch wenn einige der Bauten den Kriegsereignissen und der anschließenden Besatzungspolitik zum Opfer gefallen sind. Hier dient das Buch als Reiseführer, und eine Landkarte im Anhang wäre hilfreich gewesen.

    Zu oft bleibt die Autorin unverbindlich. Ein Beispiel nur: da heißt es im Zusammenhang mit einer Mätresse des Königs: „Friedrich profitierte von der Liaison“ (S. 133). Inwiefern?
    Auf anderen Seiten finden wir verwirrend lange Datenreihen: „Der Graf wurde 1690 Hauptmann…, 1691 Schlosshauptmann von Berlin, 1694 Oberstallmeister sowie Oberkammerherr“ (S. 132). Solche Zahlenreihen finden sich wiederholt und sollen wohl die genaue Recherche der Autorin belegen.

    Aber genau daran hapert es jedoch immer wieder; ob es pikante Ereignisse im vor- und ehelichen Leben der Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel (die dann auch verbannt wurde) sind, oder die Märzereignisse in Berlin, die Gründung der Berliner Akademie der Wissenschaften, das Auftauchen des Halley’schen Kometen, oder auch dass die „Zeichnungen“ des Soldatenkönigs in Königs Wusterhausen eigentlich Ölgemälde sind und dass das Hohenzollernschloss Hechingen nicht im Allgäu liegt – das sind nur einige Ungenauigkeiten, die beim ersten Lesen auffallen.

    Mit der Sprache der Autorin hatte ich auch gelegentlich Probleme, und zwar gleich zu Beginn. „Wenn die Herrscherin starb, weinte das ganze Land. Manch kostbares Grabmal wurde gestiftet.“ und später: „Von all diesen guten und großen Taten soll in diesem Buch … die Rede sein“ (S. 16 und 17).

    Bei diesem Pathos schwante mir Übles, aber der Text las sich trotz dieser Missgriffe sehr leicht und flüssig.

    3/5