In ihrem 2015 veröffentlichten und zuletzt 2017 überarbeiteten Buch „Putins Welt“, zeigt Katja Gloger auf, wie die Sowjetunion sich seit Putin und mit Putin veränderte. Dabei greift die Autorin zeitlich bisweilen bis auf den Zweiten Weltkrieg zurück, bemüht sich, Gorbatschow und die Deutsche Wiedervereinigung zu erklären, aber sie beginnt in der spannenden Neuzeit. Obwohl die aktuellste Entwicklung nicht enthalten ist, da Glogers Betrachtungen 2017 aufhören, ist Glogers Buch ein Augenöffner. Und was für einer!
Denn schon immer war Russland ein Land, das auf der einen Seite an Minderwertigkeitskomplexen gegenüber dem modernen Westen wie an Großmannssucht und imperialistischem Größenwahn gelitten hat. Schon Katharina die Große sagte, sie könne ihr Land nur beschützen, in dem sie es ausdehne, mit anderen Worte, die Nachbarn überfalle, erobere und ausnutze. Kontrolle war Russlands Politik über die Jahrhunderte. Zu dieser Politik ist Putin zurückgekehrt. Reaktionär und militaristisch wurde die Politik dieses Landes. Doch eine kleine Weile davor schien es, als ob sich Russland dem Westen öffnen wolle. Als ob es fähig zur friedlichen Kooperation mit seinen Nachbarn und mit der Welt wäre. Was für eine Illusion! Weder fähig noch willens.
Gloger zeigt uns viele Schattierungen des großen, weiten Landes, das völlig auf eine harte Hand der Autokratie setzt, eine Regierungsform, die gegen das Versprechen, für die Bürger zu sorgen und sie zu beschützen (ein Versprechen, das nur ansatzweise erfüllt wird) bedingungslose Loyalität erwartet, verlangt und erpresst. Autokratie war immer das Mittel der Wahl, die bevorzugte Regierungsform Russlands, ob unter den Zaren oder unter den Präsidenten oder Vorsitzenden der kommunistischen Partei, eine andere Art zu herrschen, kennt das Land nicht. Russland ist auch das Land, in dem es keine Aufklärung westlicher Prägung gegeben hat. Trotz Revolution und Kommunismus ist es auch ein Land voller religiöser Traditionen und Mythen. Vom Kommunismus ist nicht viel übrig geblieben.
Ein paar Schlagworte sollen hier dennoch genügen, um den bristanten Inhalt des sachkenntnisreichen Buchs anzureißen: die korrupte und rücksichtslose Russen-GmbH, der (überwältigende) Kapitalismus unter Freunden, Kleptokratie, Kapitalflucht, Hochrüstung, Gaskrieg, vernachlässigte Infrastrukturen, Eindämmung sämtlicher zivilisatorischer Rechte, Übernahme von 90 Prozent aller Medien durch den Staat, Propaganda bis zum Abwinken, Fake News, Informationskrieg gegen das Ausland -„Journalisten werden Soldaten des Krieges. Man will die westlichen Medien zersetzen und verunglimpfen, man kämpft gegen die Information an sich; gelobt sei das Narrativ. In Russia ist investigativer Journalismus lebensgefährlich.“ Einflussnahme auf die im Ausland lebenden Russen: „Millionen Russischsprachiger haben sich nach dem Zerfall der Sowjetunion außerhalb der russischen Staatsgrenzen wiedergefunden. Ihr Potential, Sprache und Kultur müsse genutzt werden, um Einfluss auf das nahe Ausland zu gewinnen. Wir müssen sie unter unsere politische Kontrolle bringen um so eine machtvolle politische Enklave zu schaffen, die zur Basis unseres politischen Einflusses wird.“ Sergei Alexandrowitsch Karaganow. Geheimpolizeistaat. Frauendiskriminierung.
Gerhard Schröders Kumpelei mit Putin wird ebenso thematisiert wie Putins Vergangenheit in der DDR, wo er keineswegs nomale deutsche Lebensverhältnisse kennen und schätzen lernte, sondern gesellschaftlich mit seinen eigenen Geheimdienstlern und mit Stasi-Leuten verkehrte. Für Putin war der Zusammenbruch des sowjetischen Einflussbereiches eine Katastrophe historischen Ausmaßes.
Ultrapatriotischer Rechtsnationalismus, eine ideologische Richtung, die auch im Westen Fuß fasst, sich dort aber noch in der Minderheit befindet, ist in Russland salonfähig und wird befördert. Gewaltausübung als politisches Mittel der Auseinandersetzung ist tolerabel und akzeptabel.
Die russische Idee, die die Kontrolle des benachbarten Auslands zum Ziel hat, im Klartext, das benachbarte Ausland seiner Identität und Selbstbestimmung zu berauben, kann nur überleben in scharfer Abgrenzung zum Feindbild des „verkommenen Westens.“
Wohlgemerkt: Katja Gloger schreibt über die POLITIK des Landes und über seine von Putin gehätschelte Oberschicht, die sogenannten Oligarchen. Den russischen Menschen gegenüber fühlt sie sich verbunden. Sie haben kaum eine Chance, sich geistig aus dem Dunstkreis der russischen Staatsprogaganda zu lösen. Wenn kritische Journalisten zu Staatsfeinden erklärt und eliminiert werden, kann man verstehen, dass sich kritisches Denken höchstens noch in einem Mäuseloch regt.
Fazit: Russland ist ein Land, in dem man momentan nicht leben möchte. Dem einzelnen Bürger wird viel abverlangt, er wird in systematischer Unmündigkeit und Informationsferne gehalten, es wird an seine patriotische Seele appelliert, damit er auf Kurs bleibt. Wenige werden unsagbar reich, die meisten müssen sich irgendwie über Wasser halten. Freilich, in der Ukraine waren die Zustände auch nicht besser.
Schade, dass das Buch nicht ganz bis in die Jetztzeit reicht. Das ist das einziges Manko. Es ist super verständlich geschrieben und spannend. Die Floskel „ich konnte es kaum aus der Hand legen“ nehme ich für diesmal für Glogers Recherche in Anspruch.
Eine dicke Leseempfehlung gibt es von mir!
Kategorie: Sachbuch: Geschichte. Politik.
Verlag: Hierax Medien, 2022
Russland ist für den Westen ein Problem geworden.
Kurzmeinung: Must read!
In ihrem 2015 veröffentlichten und zuletzt 2017 überarbeiteten Buch „Putins Welt“, zeigt Katja Gloger auf, wie die Sowjetunion sich seit Putin und mit Putin veränderte. Dabei greift die Autorin zeitlich bisweilen bis auf den Zweiten Weltkrieg zurück, bemüht sich, Gorbatschow und die Deutsche Wiedervereinigung zu erklären, aber sie beginnt in der spannenden Neuzeit. Obwohl die aktuellste Entwicklung nicht enthalten ist, da Glogers Betrachtungen 2017 aufhören, ist Glogers Buch ein Augenöffner. Und was für einer!
Denn schon immer war Russland ein Land, das auf der einen Seite an Minderwertigkeitskomplexen gegenüber dem modernen Westen wie an Großmannssucht und imperialistischem Größenwahn gelitten hat. Schon Katharina die Große sagte, sie könne ihr Land nur beschützen, in dem sie es ausdehne, mit anderen Worte, die Nachbarn überfalle, erobere und ausnutze. Kontrolle war Russlands Politik über die Jahrhunderte. Zu dieser Politik ist Putin zurückgekehrt. Reaktionär und militaristisch wurde die Politik dieses Landes. Doch eine kleine Weile davor schien es, als ob sich Russland dem Westen öffnen wolle. Als ob es fähig zur friedlichen Kooperation mit seinen Nachbarn und mit der Welt wäre. Was für eine Illusion! Weder fähig noch willens.
Gloger zeigt uns viele Schattierungen des großen, weiten Landes, das völlig auf eine harte Hand der Autokratie setzt, eine Regierungsform, die gegen das Versprechen, für die Bürger zu sorgen und sie zu beschützen (ein Versprechen, das nur ansatzweise erfüllt wird) bedingungslose Loyalität erwartet, verlangt und erpresst. Autokratie war immer das Mittel der Wahl, die bevorzugte Regierungsform Russlands, ob unter den Zaren oder unter den Präsidenten oder Vorsitzenden der kommunistischen Partei, eine andere Art zu herrschen, kennt das Land nicht. Russland ist auch das Land, in dem es keine Aufklärung westlicher Prägung gegeben hat. Trotz Revolution und Kommunismus ist es auch ein Land voller religiöser Traditionen und Mythen. Vom Kommunismus ist nicht viel übrig geblieben.
Ein paar Schlagworte sollen hier dennoch genügen, um den bristanten Inhalt des sachkenntnisreichen Buchs anzureißen: die korrupte und rücksichtslose Russen-GmbH, der (überwältigende) Kapitalismus unter Freunden, Kleptokratie, Kapitalflucht, Hochrüstung, Gaskrieg, vernachlässigte Infrastrukturen, Eindämmung sämtlicher zivilisatorischer Rechte, Übernahme von 90 Prozent aller Medien durch den Staat, Propaganda bis zum Abwinken, Fake News, Informationskrieg gegen das Ausland -„Journalisten werden Soldaten des Krieges. Man will die westlichen Medien zersetzen und verunglimpfen, man kämpft gegen die Information an sich; gelobt sei das Narrativ. In Russia ist investigativer Journalismus lebensgefährlich.“ Einflussnahme auf die im Ausland lebenden Russen: „Millionen Russischsprachiger haben sich nach dem Zerfall der Sowjetunion außerhalb der russischen Staatsgrenzen wiedergefunden. Ihr Potential, Sprache und Kultur müsse genutzt werden, um Einfluss auf das nahe Ausland zu gewinnen. Wir müssen sie unter unsere politische Kontrolle bringen um so eine machtvolle politische Enklave zu schaffen, die zur Basis unseres politischen Einflusses wird.“ Sergei Alexandrowitsch Karaganow. Geheimpolizeistaat. Frauendiskriminierung.
Gerhard Schröders Kumpelei mit Putin wird ebenso thematisiert wie Putins Vergangenheit in der DDR, wo er keineswegs nomale deutsche Lebensverhältnisse kennen und schätzen lernte, sondern gesellschaftlich mit seinen eigenen Geheimdienstlern und mit Stasi-Leuten verkehrte. Für Putin war der Zusammenbruch des sowjetischen Einflussbereiches eine Katastrophe historischen Ausmaßes.
Ultrapatriotischer Rechtsnationalismus, eine ideologische Richtung, die auch im Westen Fuß fasst, sich dort aber noch in der Minderheit befindet, ist in Russland salonfähig und wird befördert. Gewaltausübung als politisches Mittel der Auseinandersetzung ist tolerabel und akzeptabel.
Die russische Idee, die die Kontrolle des benachbarten Auslands zum Ziel hat, im Klartext, das benachbarte Ausland seiner Identität und Selbstbestimmung zu berauben, kann nur überleben in scharfer Abgrenzung zum Feindbild des „verkommenen Westens.“
Wohlgemerkt: Katja Gloger schreibt über die POLITIK des Landes und über seine von Putin gehätschelte Oberschicht, die sogenannten Oligarchen. Den russischen Menschen gegenüber fühlt sie sich verbunden. Sie haben kaum eine Chance, sich geistig aus dem Dunstkreis der russischen Staatsprogaganda zu lösen. Wenn kritische Journalisten zu Staatsfeinden erklärt und eliminiert werden, kann man verstehen, dass sich kritisches Denken höchstens noch in einem Mäuseloch regt.
Fazit: Russland ist ein Land, in dem man momentan nicht leben möchte. Dem einzelnen Bürger wird viel abverlangt, er wird in systematischer Unmündigkeit und Informationsferne gehalten, es wird an seine patriotische Seele appelliert, damit er auf Kurs bleibt. Wenige werden unsagbar reich, die meisten müssen sich irgendwie über Wasser halten. Freilich, in der Ukraine waren die Zustände auch nicht besser.
Schade, dass das Buch nicht ganz bis in die Jetztzeit reicht. Das ist das einziges Manko. Es ist super verständlich geschrieben und spannend. Die Floskel „ich konnte es kaum aus der Hand legen“ nehme ich für diesmal für Glogers Recherche in Anspruch.
Eine dicke Leseempfehlung gibt es von mir!
Kategorie: Sachbuch: Geschichte. Politik.
Verlag: Hierax Medien, 2022