Ein Präsident verschwindet

Mitten in der Nacht wird Kommissar Philip Gerber von seinem Chef abgeholt, um an einer geheimen Besprechung mit Kanzler Adenauer teilzunehmen. Die beiden Polizisten werden ins besetzte Berlin geschickt. Sie sollen herausfinden, ob der Präsident des Verfassungsschutzes Otto John tatsächlich in den Osten übergelaufen ist oder ob er entführt wurde. Und welche Rolle spielt die Journalistin Eva Herden, die auf einem Foto gemeinsam mit John zu sehen ist? Für Gerber ist die Beantwortung dieser Frage beinahe wichtiger als der erste Auftrag, denn seine Freundin ist ohne eine Erklärung verschwunden und nun in Berlin wieder aufgetaucht.
Die Nachkriegszeit in Deutschland bietet interessante Stoffe für spannende Thriller. So kann die Geschichte des Otto John in verschiedenen Veröffentlichungen nachgelesen werden. Während der Nazi-Zeit war er im Widerstand und dann der erste Präsident des Verfassungsschutzes. Im Juli 1954 tauchte er plötzlich in Ostberlin auf. Angeblich wurde ihm politisches Asyl gewährt. Um diese wahre Geschichte rankt sich der zweite Fall um Kommissar Philip Gerber, der vom amerikanischen Militärgeheimdienst zum Bundeskriminalamt gewechselt war. Die Umstände zwingen Gerber an seiner Beziehung zu Eva Herden zu zweifeln, dennoch nutzt er die Gelegenheit in Berlin nach ihr zu suchen und gleichzeitig im Fall John zu ermitteln.
Wieder erzählt der Autor eine packende Story mit einem Bezug zur Wirklichkeit. Sehr geschickt sind die persönlichen Belange Philip Gerbers mit dem Fall Otto John verwoben. Gerade in der heutigen Zeit, in der man sich sowieso in die Zeit des kalten Krieges zurückversetzt fühlt und noch befürchten muss, dass aus dem kalten Krieg ein heißer wird, bringt dieser Roman einen gewissen Einblick, wie es wohl zugeht in der Welt der Agenten und der politischen Intrigen. Zwar würde es heute wohl eher Cyber-Attacken geben als echte Entführungen, aber die Stimmung kann man sich durchaus ähnlich vorstellen. Und so liest man gespannt, welche gefährlichen Nachforschungen Philip Gerber in der geteilten Stadt anstellt. Er gerät zwischen die Mühlen der unterschiedlichen Systeme und muss sich gerade im Westen darüber erstaunen oder entsetzen, wie leicht die alten Nazis wieder in herausragende Positionen gelangen und wie wenig dagegen getan werden kann.
Dieser fesselnde zweite Fall für Kommissar Philip Gerber und Eva Herden ist wirklich zu empfehlen und nach der Lektüre wird er eine Zierde für jedes Regal sein.
Toppt den eh schon überzeugenden Vorgänger
Anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 20.7.1944 reiste der ehemalige Widerständler und damalige Verfassungsschutzpräsident Dr. Otto John nach West-Berlin, am Tag darauf wurde er in Ostberlin als Flüchtling in die DDR präsentiert. Bis heute ist ungeklärt, ob es sich um einen politischen Akt zur Herstellung/Erhaltung der deutschen Einheit handelte (wenn dem so war, dann wäre es ein Zeichen für extreme Naivität dieses Mannes) oder eine Entführung, wie es die Medien der Bundesrepublik damals und John selbst es gut eineinhalb Jahre später nach seiner Rückkehr in die Bundesrepulik zeitlebens darstellten, handelte. Vor diesem Hintergund lässt Ralf Langroth seinen zweiten Roman über den Kriminalhauptkommissar Gerber spielen. In "Ein Präsident verschwindet" bekommt Gerber von Adenauer, mit dem ihn seit dem Kriegsende eine besonderere Beziehung verbindet, persönlich den Auftrag, die Hintergründe von Johns Verschwinden zu ermitteln. Dabei ist Gerbers Geliebte, Eva Herden, offensichtlich darin verstrickt. Dies und die Tatsache, dass auch die "Organisation Gehlen", Nachfolger der Abteilung "Fremde Heere Ost" in der Wehrmacht (kleine Anmerkung zu deren Aufklärungsarbeit am Rande: beinm Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im sommer 44 übersah sie eine komplette russische Armee) und Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes mitmischt, machen die Arbeit für Gerber nicht einfach. Also begibt er sich nach Berlin, wo er mehrfach in Lebensgefahr gerät und sogar für einige Tage Gefangener des KGB wird. Er gerät in ein gewaltiges Intrigenspiel der Geheimdienste und kann am Ende froh sein, wenigstens sich und seine Freundin in Sicherheit gebracht zu haben.
Schon der Vorgängerroman "Die Akte Adenauer", in der der deutschstämmige Ex-CIC-Mitarbeiter Philipp Gerber eingeführt wurde, überzeugte, aber der Nachfolger hat mich sogar noch ein bisschen mehr gepackt.Insofern klare Leseempfehlung, und zwar für beide Romane!!!