Klippentod

Der Handlungsort
Das Fischerdorf Cadgwith, in dem dieser Krimi angesiedelt ist, liegt in einer der schönsten Gegenden Cornwalls. “Ian Bray” (bzw. Arnold Küsters, der hinter dem Pseudonym steht) beschwört diese Schönheit in Worten voller Atmosphäre und liebevollem Lokalkolorit. Er lässt den Ozean, die Klippen, die Fischer mit ihren Booten vor dem inneren Auge der Leser:innen auferstehen, da riechst du fast die salzige Meerluft und hörst den Musikant:innen beim Folkabend zu – ein malerisches Ambiente für so etwas Hässliches wie Mord.
Der Schreibstil
Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, wunderbar bildlich, es ist offensichtlich, dass dem Autor Land und Leute am Herzen liegen. Und genau das ist in meinen Augen, was diesen Krimi auszeichnet.
Der Spannungsbogen
Doch so stimmig Lokalkolorit und Atmosphäre auch sind, die Krimihandlung kann da meines Erachtens nicht ganz mithalten. Spannung baut sich nur langsam auf und flacht immer wieder ab, denn es gibt einfach zu viel “Füllmaterial”. Das Wetter. Abende in der Kneipe. Der Verschönerungsverein, der sich geradezu militant ins Dorfleben einmischt. Das Wetter. Abende in der Kneipe. Vieles wiederholt sich. An sich sind das alles Dinge, die wunderbar beitragen zur Szenerie des Dorflebens, keine Frage, aber es wurde mir einfach zu viel.
Das Buch hat 560 Seiten, aber ich vermute, dass eine Kürzung dem eigentlichen Fall gut tun würde. Denn der gerät ins Hintertreffen, wird nicht bis in die Tiefe ausgeleuchtet, nicht auserzählt. Die Ermittlungen erscheinen unkoordiniert und bieten wenig Überraschungen; vieles ergibt sich nach und nach einfach so, immer wieder unterbrochen von Nebenhandlungen.
Die Charaktere
Der Hauptcharakter, der ehemalige Polizist Simon Jenkins, ist ein Mann mit viel emotionalem Gepäck. Er war mal ein überaus erfolgreicher Ermittler – bis zu dem folgenschweren Unfall, der ihm Freundin und Gesundheit nahm. Seither kann er sich nur mühsam mit Gehstock bewegen und lebt mit furchtbaren Schmerzen. Seinem ehemaligen Beruf hat er den Rücken gekehrt und verdient sein Geld als Künstler. Statt nach Verbrechern, sucht er jetzt nach den perfekten Farben für das Meer und ist erst widerwillig, das zu ändern.
Mit Jenkins konnte ich das Buch hindurch mitfühlen und mitfiebern, er war für mich der komplexeste, rundeste Charakter. Und doch – er erschien mir als zu fixiert auf den schrecklichen Verlust seiner Freundin, um sich wirklich dem Fall widmen zu können. Das ist natürlich verständlich, aber es bremste das Buch immer mal wieder aus.
Der Polizist DI Marks, der die Einmischung Jenkins’ in seinen Fall mit Argusaugen beobachtet, konnte ihm als Gegenspieler nicht das Wasser reichen und blieb als Charakter etwas flach.
Viele der Charaktere sind interessant und gut geschrieben, wie Mary, die beste Freundin der ersten Toten. (Jenkins entwickelt zarte Gefühle für Mary, trotz seiner Loyalität zu seiner verstorbenen Freundin Moira – ein schöner Aspekt der Geschichte.) Viele haben durchaus Potential. Andere schrappen jedoch nur haarscharf am Klischee vorbei, wirken eher wie Staffage; hier bleibt das Buch manchmal zu sehr an der Oberfläche.
Fazit: Durchwachsen
Ich denke, das Buch könnte Leser:innen gefallen, die etwas nicht allzu Grausames lesen wollen und dabei vor allem Spaß an gut geschriebenem Lokalkolorit haben – denn davon hat der Krimi jede Menge zu bieten. Darüber hinaus konnte mich jedoch leider weder der Spannungsaufbau noch der Verlauf der Ermittlung wirklich überzeugen, meines Erachtens wiederholten sich zu viele Nebensächlichkeiten. Auch die Charaktere waren für mich nicht alle vollends rund und stimmig.
Daher war “Klippentod” für mich ein durchwachsenes Leseerlebnis – viele gute Aspekte, aber leider auch solche, die mir nicht gefielen.
Schwacher Auftakt einer neuen Reihe...
Nie wieder ermitteln – das hatte sich der ehemalige Polizist Simon Jenkins einst geschworen, als er in das ruhige Fischerdorf in Cornwall zog. Zu schwer wogen die Ereignisse aus seiner Vergangenheit. Daher weist er auch die verzweifelt klingende Victoria ab, als sie ihn eines Nachts anruft und um Hilfe bittet. Doch dann wird die junge Frau am nächsten Tag tot am Fuße einer berüchtigten Klippe aufgefunden. Jenkins macht sich schwere Vorwürfe – hätte er sie womöglich von einem Sprung abhalten können? Alles deutet auf Selbstmord hin, nur Victorias beste Freundin Mary ist sicher, dass es Mord gewesen sein muss. Auf ihr Bitten hin beginnt Jenkins, hinter dem Rücken der Polizei zu ermitteln. Und dann wird eine weitere Leiche gefunden… (Klappentext)
So viel sei vorweg verraten: der Klappentext war für mich ehrlich gesagt das Spannendste am ganzen Roman. "Cornwall-Krimi" steht auf dem Cover, und das ist vermutlich schon eines der Probleme. Der Versuch, die raue Idylle der Küstendörfer in Cornwall stimmungsvoll zu schildern kollidiert hier definitiv mit dem Versuch eines Krimis. Obwohl - die beiden Komponenten alleine hätten ein durchaus stimmiges Bild ergeben können.
Wären da nicht noch weitere Themen, die der unter einem Pseudonym schreibende deutsche Krimiautor (alias Arnold Küsters) versuchsweise alle bedeutungsgleich unter einen Hut bringen wollte. Als da wären: ziemlich zerrupfte Charaktere, die alle ihr Päckchen zu tragen haben, die unfähige Polizei als solche, eine sich anbahnende Romanze, die Problematik Tourismus vs. ursprüngliches Dorfleben mit dem harten Brot der Fischerei, die Piratenvergangenheit des Landstrichs, Malerei und Kunstwissenschaft, Musik in den Pubs u.a.m.
Wohlgemerkt: der Klappentext und der eigentliche Plot haben mich durchaus gereizt, und auch auf die Landschaftsschliderungen Cornwalls habe ich mich im Vorfeld gefreut. Doch bereits der Einstieg gestaltete sich für meinen Geschmack recht zäh: das Vorstellen der Charaktere sowie der Örtlichkeiten zog sich dahin. Das Spannendste zu Beginn war die Frage, was den ehemaligen Polizisten Simon Jenkins in das ruhige Fischerdorf an der Küste Cornwalls gebracht hat.
Jenkins, sein Freund Luke und die Freundin der Toten an der Klippe, Mary, sind die Hauptcharaktere des Romans. Immer wieder wird auf ihre Lebensumstände in der Gegenwart wie in der Vergangenheit eingegangen - und vor allem auf die Lebenskrisen von Mary und Simon. Ich verstehe sogar, dass gerade zu Beginn einer Reihe den Hauptcharakteren ausreichend Platz eingeräumt wird, damit man sie näher kennenlernen kann. Aber wenn nach einem Drittel des Romans immer noch der Eindruck vorherrrscht, dass noch nichts Relevantes geschehen ist, dann stimmt doch etwas nicht.
Der Krimi, der es ja eigentlich sein soll, nimmt bis auf die letzten Seiten zu keinem Zeitpunkt an Fahrt auf. Ganz im Gegenteil. Immer wenn Jenkins beschließt, endlich etwas zu unternehmen, bremst er sich gleich wieder aus und lässt den Dingen ihren Lauf. Er lässt alles vor sich hin plätschern, und wir Leser:innen plätschern mit. Diese Unentschlossenheit des ehemaligen Polizisten zieht sich durch den gesamten Roman und hat mir den Charakter zusammen mit seinen ständigen Selbstvorwürfen und Selbstzweifeln mehr als verleidet. Dass ich Jenkins Entscheidungen und Handlungsansätze nicht immer nachvollziehen oder gutheißen konnte, kommt sicher noch erschwerend hinzu. Simon wirkt keineswegs als der erfahrene Polizist, der er doch sein soll, sondern agiert meistens nicht weniger stümperhaft als er der offiziell agierenden Polizei attestiert...
Widersprüchlich agiert aber auch Mary: einerseits hat sie aus nachvollziehbaren Gründen wahnsinnige Angst, will andererseits aber ihr Haus nicht abschließen, weil sie sich in ihrer Freiheit nicht beschneiden lassen will. Für mich so nicht vorstellbar, aber gut. Und obwohl der Autor seinen Charakteren (viel zu) viel Platz einräumt, bleiben sie letztlich doch recht oberflächlich und wenig greifbar. Natürlich bietet die geplante Reihe sicher noch Raum für die Entfaltung der Charaktere, aber bei einer derart epischen Darstellung der Personen hätte ich doch ein differenzierteres Bild auch schon in diesem Einstiegsband erwartet.
Der eigentliche Fall spielt über eine weite Strecke eine mehr als untergeordnete Rolle - gelegentlich wird pflichtschuldigst daran erinnert, um sich dann jedoch gleich wieder anderen Themen zuzuwenden. Doch so ist der Roman weder als Krimi überzeugend, noch als Wohlfühl-/Heimat-/Lebenskrisen-/Künslter-/Liebes-/Irgendwas-Roman. Ein schwer verdaulicher, zäher Brei von stolzen 560 Seiten - und mit jeder Seite erlahmte mein Interesse mehr.
Das Ende schließlich war tatsächlich temporeicher als der Rest des Romans, bot für mich aber kein Überraschungsmoment, und die Leistung von Simon Jenkins - naja...
Manche Romane schließt man mit einem Seufzer - nach einem zufriedenstllenden Ende zum Beispiel oder auch infolge des Gedankens, dass man gerne noch weitergelesen hätte. Hier war es definitiv ein Seufzer der Erleichterung, verbunden mit der Gewissheit, die Folgebände sicher nicht mehr lesen zu wollen.
Für mich hat der Autor zu viel gewollt und sich für nichts von alldem klar entscheiden können. Aus dem Themen-Potpourri kristallisierte sich der eigentliche Krimi kaum heraus, für mich dominierte leider die Langeweile.
Es mag Fans dieser eigentümlichen Mischung geben - ich gehöre definitiv nicht dazu. Für mich ist dies einfach ein sehr schwacher Auftakt zu einer neuen Reihe. Diese mag ihre Fans finden, ich klinke mich hier aus...
© Parden