Ritchie Girl: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Ritchie Girl: Roman' von Andreas Pflüger
3.5
3.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ritchie Girl: Roman"

Während in Nürnberg über die Hauptkriegsverbrecher gerichtet wird, arbeitet man in einem Camp der US-Army nahe Frankfurt längst wieder mit Nazitätern zusammen. Im Maschinenraum des Kalten Krieges haben Pragmatiker das Sagen, an deren Zynismus Paula verzweifelt. Hier trifft sie auf Johann Kupfer, einen österreichischen Juden, der den Amerikanern seine Dienste anbietet. Er behauptet, der größte Spion des Zweiten Weltkriegs gewesen zu sein. Paula soll herausfinden, ob das die Wahrheit ist. Doch wer die Wahrheit sucht, muss sie auch ertragen.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:464
Verlag:
EAN:

Rezensionen zu "Ritchie Girl: Roman"

  1. Interessantes, wichtiges Thema, aber überhaupt nicht mein Buch

    Der US-Militärgeheimdienst bildete im Camp Ritchie von 1942 bis 1945 tausende Männer und auch Frauen für den Nachrichtendienst aus. Darunter waren viele Deutsche und Österreicher wie z.B. auch Klaus Mann, Hans Habe, Georg Kreisler und Stefan Heym, die vor den Nazis in die USA geflohen waren. Aufgrund ihrer Deutschkenntnisse wurden sie u.a. für Verhöre von Kriegsgefangenen eingesetzt. Protagonistin Paula Bloom, Tochter einer deutschen Mutter und eines sehr reichen US-amerikanischen Geschäftsmannes, der gute Verbindungen zu den Nazis pflegte, absolviert ebenfalls ihre Ausbildung dort und ist erst einmal für die Zensur der Feldpost zuständig. Schon bald bekommt sie erste Aufträge als Dolmetscherin bei Verhören.

    Nach Kriegsende wird sie in ein Camp bei Frankfurt a.M. geschickt. Dort soll sie unter anderem herausfinden, ob Johann Kupfer, der der USA seine Dienste anbietet, tatsächlich der bekannte Spion „Sieben“ ist, für den er sich ausgibt. Während die Nürnberger Prozesse laufen, ist man im Camp vor allem auch damit beschäftig, einflussreiche Nazis zu schützen, wenn man sie für die eigenen Zwecke gut gebrauchen kann. „Ritchie Girl“ ist eine Mischung aus Fakt und Fiktion. Persönliche Verstrickungen und Verstrickungen großer Firmen mit den Nazis, historische Fakten, militärische Operationen, Massenhinrichtungen und weitere Kriegsverbrechen sowie der Umgang der Überlebenden damit, Täter, Opfer und die Grauzone dazwischen sind alles Themen, die im Roman zu finden sind. Es geht um Doppelmoral, durch den Krieg zerstörte Familien und die Frage, wem man eigentlich noch vertrauen kann. Die unvorstellbaren Grausamkeiten des Krieges werden einmal mehr vor Augen geführt, ebenso wie die bittere Tatsache, dass viele Kriegsverbrecher unbehelligt davonkommen konnten - und das, obwohl bekannt war, was sie getan hatten. Gut fängt der Roman auch das damals gängige Frauenbild ein: Frauen sollen vor allem adrett aussehen, den Mann dadurch erfreuen und die Hausarbeit erledigen. Paula hat mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil sie sich als berufstätige Frau, zumal beim Militär, gegen das traditionelle Frauenbild stellt. Glücklicherweise ist einer ihrer Stärken Schlagfertigkeit, so dass es ihr meist gelingt, anmaßende Männer in ihre Schranken zu weisen.

    All das wäre mehr als genug für einen spannenden und auch historisch äußerst interessanten Roman. Doch leider konnte ich mit der Umsetzung nichts anfangen. Für mich waren es zu viele Fakten, zu viel Namedropping (Albert Einstein, Charlie Chaplin, Otto Dix, Marlene Dietrich, Graham Green und viele mehr) werden einfach mal so eingestreut, ohne wirklich bedeutsam für die Geschichte zu sein. Meine Gedanken schweiften beim Lesen ständig ab, es war mir zu viel Personal ohne Tiefe, zu viel stichwortartige Information, die ich oft gar nicht richtig einordnen konnte. Die Dialoge haben mich gelangweilt in ihrem sehr gleichförmigen Ton. Auch den Protagonisten fehlte es an Substanz. Ich hatte kein lebendiges Bild vor Augen, eher eine blasse Skizze. Ich habe das Eintauchen in eine mir fremde Welt und einen Spannungsbogen vermisst. Sehr schade, dass mich der Roman mit diesem wichtigen Thema so überhaupt nicht berühren konnte.

  1. Ein interessanter und erschreckender historischer Roman

    In Camp Ritchie war das Ausbildungslager der US-Armee. Hier wurden auch die Ritchie Boys ausgebildet. Es handelte sich um junge Deutsche – nicht nur Boys -, die gegen die Nazi-Diktatur arbeiten sollten. Auch Paula Bloom kehrt nach ihrer Ausbildung dort als Besatzungsoffizierin zurück nach Deutschland, dass sie vor Jahren Hals über Kopf verlassen hatte. In Nürnberg werden die Prozesse gegen Kriegsverbrecher geführt und die Amerikaner arbeiten pragmatisch mit den Deutschen zusammen, auch wenn diese nicht unbescholten sind. Paula wird auf den österreichischen Juden Johann Kupfer angesetzt, der behauptet, der größte Spion während des Zweiten Weltkrieges gewesen zu sein.
    Ich habe schon einige Bücher des Autors Andreas Pflüger gelesen und wollte auch diesen Roman unbedingt lesen. Es ist keine leichte Kost, die uns der Autor hier serviert.
    Paula Bloom ist eine sympathische junge Frau, die als Tochter einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Geschäftsmannes in Berlin aufgewachsen ist. Nach ihrer Flucht in die USA stellte sie fest, dass ihr Leben eine einzige Lüge war. Sie ist innerlich zerrissen und empfindet Scham und Schuldgefühle. Mit diesen Gefühlen ist sie allerdings nicht alleine, auch ihr Kamerad Sam empfindet so. Paula sieht die verheerenden Auswirkungen des Krieges. Die pragmatische Art der Amerikaner mit der Aufarbeitung der Vergangenheit umzugehen, bringt Paula zur Verzweiflung. Niemand will gewusst haben, was geschehen ist. Keiner zeigt Reue und alle betrachten sich als Opfer. Paula kann den Deutschen nicht verzeihen, aber genauso wenig sich selbst, denn ihr Verhalten hat auch zu Verhaftung und Deportation geführt, ohne dass sie sich dessen bewusst war. Nun versucht sie ihre große Liebe und muss erkennen, dass sie sich auch in Georg getäuscht hatte.
    Vieles was hier geschildert wird, ist schwer zu ertragen. Trotzdem hat mich die Geschichte von Anfang an gepackt und ich konnte Paulas Gefühle gut nachvollziehen. Es ist ein Roman, der einen noch lange beschäftigt.
    Absolute Leseempfehlung!