Tiefer Fjord: Roman
![Buchseite und Rezensionen zu 'Tiefer Fjord: Roman' von Ruth Lillegraven](https://m.media-amazon.com/images/I/51bp-FD8GgS._SL500_.jpg)
Die Politikerin Clara Lofthus versucht eine Gesetzesänderung zum Schutz von misshandelten Kindern durchzusetzen, während ihr Mann Haarvard, Arzt im Osloer Krankenhaus,k den Kampf um das Leben eines kleinen pakistanischen Jungen verliert. Als Haarvard schwere Misshandlungen vermutet und kurz darauf der Vater des Jungen tot aufgefunden wird, gerät Claras Mann unter Mordverdacht.
Die Story wird erzählt aus verschiedenen Perspektiven, jeweils als Ich-Erzähler. Die Autorin erschafft hier eine düstere Atmosphäre die den Leser durchaus in ihrem Bann ziehen kann. Allerdings fand ich den SChreibstil durch die diversen Gedankensprünge etwas gewöhnungsbedürftig.
Zu den Charakteren: Haarvard empfand ich auf Grund seiner ewigen Lügen und seiner Untreue als unsymphatisch. Auch mit Clara, die eher blass und kühl rüberkam, konnte ich nicht warm werden, aber vielleicht war dies von der Autorin auch so gewollt.
Im Laufe der Handlung erfährt der Leser um wen es sich bei dem Täter handelt, aber die Spannung wird dadurch gehalten, dass nach un nach die Beweggründe zu Tage treten.
Die Ermittlungsarbeit der Polizei steht in diesem Thriller eher im Hintergrund, vielmehr geht es hier um das sehr ernste Thema Kindesmisshandlung und was dies mit der Psyche eines betroffenen Menschen machen kann.
Da es sich bei "Tiefer Fjord" um den Auftakt einer Trilogie handeln soll, blieben zum Schluss einige Fragen offen. Ich fand den Plot zwar interessant, nur bin ich leider mit dem Schreibstil und den vielen politischen Passagen nicht warm geworden, von mir deshalb nur 3,5 Sterne.
Clara ist eine ambitionierte Politikerin, wollte ein Gesetz durchbringen, welches frühere Hilfe für misshandelte Kinder schaffen sollte. Ihr Mann Haavard hat von Berufs wegen mit solchen Kindern zu tun, denn er ist Kinderarzt. Ein kleiner Junge wird von seinem pakistanischen Vater bewusstlos in die Klinik gebracht. Der Junge stirbt und wenig später wird auch der Vater tot aufgefunden. Er wurde erschossen. Wenig später gibt es weinen weiteren Mord an einer iranischen Mutter. Was ist das Motiv? Rache oder Fremdenhass? Haavard gerät ins Visier der Polizei, was Clara beruflich schaden könnte. Noch während er in Gewahrsam ist, geschieht wieder ein Mord.
Es ist eine interessante Geschichte, die aus wechselnden Perspektiven erzählt wird. Allerdings geht es bei diesem Krimi kaum um die Ermittlungsarbeit. Viel entscheidender sind die Einblicke in die Psyche der beteiligten Personen.
Clara und Haavard leben etwas nebeneinander her. Er ist ein Arzt, der seinen kleinen Patienten helfen will und sie möchte Karriere als Politikerin machen. Aber Clara hat auch eine dunkle Vergangenheit, die sie geheim halten möchte und von der auch Haavard nichts weiß.
Die Spannung nimmt immer mehr zu und was sich dann am Ende ergibt, war für mich eine ziemliche Überraschung.
Dieser erste Band der Reihe hat mich überzeugt und ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung.
Wie gut kennen wir unsere Nächsten?
Thriller lese ich eher selten, aber hier haben mich Autorin und Übersetzer neugierig gemacht. Ruth Lillegraven lernte ich 2019 beim Gastlandauftritt Norwegens auf der Frankfurter Buchmesse bei einem „Kaffeslabberas“ kennen, damals als Autorin preisgekrönter Lyrik, des Romans "Sichel" in Form eines Langgedichts und von Kinderbüchern. Dass sie 2018 auch einen Psycho-Thriller geschrieben hat, der nun unter dem Titel "Tiefer Fjord" auf Deutsch erschien, hat mich bei dieser 1978 geborenen, sehr zurückhaltenden Frau überrascht, ebenso wie Hinrich Schmidt-Henkel als Übersetzer, der beispielsweise die sehr literarischen Romane von Tarjei Vesaas fantastisch ins Deutsche übertragen hat.
In der Tat ist "Tiefer Fjord" in vielerlei Hinsicht ein besonderer Thriller. Der norwegische Originaltitel Alt er mitt (Alles ist mein) ist einem Gedicht des schwedischen Literaturnobelpreisträgers Pär Lagerkvist (1891 - 1974) entnommen, den ein Protagonist ahnungsvoll zitiert:
Alles ist mein, alles wird mir genommen, schon bald wird mir alles genommen. (S. 171)
Risse in der Fassade
Clara Lofthus und Haavard Fougner sind ein junges Vorzeigepaar mit einer Villa im Osloer Westen und Zwillingen. Beide sind beruflich sehr engagiert und erfolgreich, Clara als Juristin im Justizministerium, Haavard als Kinderarzt in Norwegens größtem Krankenhaus Ullevål. Ihre Vergangenheit könnte jedoch unterschiedlicher nicht sein: Während Clara eine traumatisierende Kindheit auf einem Hof in West-Norwegen verbrachte, kam Haavard in Oslo mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund zur Welt.
Hinter der Fassade ihrer Ehe klaffen tiefe Risse. Für Haavard ist die willensstarke und kompromisslose Clara längst nicht mehr das ungezähmte, erfrischend andere „Naturkind“, sondern die „Eiskönigin“, die seit einem Unfall vor 30 Jahren nicht mehr weinte. Haavard dagegen ist zwar nach außen warm und umgänglich, bei Nähe jedoch kühl. Die Affäre mit seiner Kollegin Sabiya ist nicht seine erste.
Eines verbindet Clara und Haavard jedoch: ihr Engagement gegen Kindesmisshandlung. Clara arbeitet an einem Gesetzesvorschlag zur verschärften Überwachung und Meldepflicht, Haavard wird mit Fällen dieser Art bei der Arbeit konfrontiert. Als wieder einmal ein gewalttätiger, pöbelnder pakistanischer Einwanderer mit seinem sterbenden Kind kommt, will er nicht mehr tatenlos zusehen. Kurze Zeit später ist der Vater tot…
Ein Psycho-Thriller mit ungeheurem Sog
"Tiefer Fjord" hat genau, was für mich einen Thriller lesenswert macht: eine extrem spannende Handlung mit für mich völlig unvorhersehbaren Wendungen und interessante Themen wie Kindesmisshandlung und Rassismus. Dazu gibt es tiefe Einblicke in den norwegischen Verwaltungs- und Politikbetrieb, den Ruth Lillegraven aus langjähriger Arbeit im Verkehrsministerium bestens kennt, und traumhafte Beschreibungen ihrer Heimat West-Norwegen. Auch die Erzählweise hat mir sehr zugesagt: 75 kurze Kapitel aus der Sicht verschiedener Ich-Erzählerinnen und -Erzähler, meist Clara und Haavard, und mehrere Zeitebenen bis zurück zu Claras Geburt. Eine völlig untergeordnete Rolle spielt dagegen die Polizei. Alles ist perfekt konstruiert, vielleicht zu perfekt, um wirklich so passiert zu sein, aber das hat mich nicht gestört.
Völlig unverständlich ist für mich allerdings die Wahl des Covers, das keinerlei Bezug zu Titel oder Inhalt hat. Warum nicht ein Fjord oder zumindest Wasser?
Es geht weiter
Da der Thriller als Mehrteiler angelegt ist – der zweite Band erschien soeben in Norwegen unter dem Titel "Av mitt blod" –, werden längst nicht alle Handlungsstränge aufgelöst. Hoffentlich geht es auch auf Deutsch bald weiter!