Waterlily

Buchseite und Rezensionen zu 'Waterlily' von Ella Cara Deloria
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Inhaltsangabe zu "Waterlily"

Ella Cara Deloria (1889-1971) war eine Dakota-Indianerin, die als Ethnologin Feldforschung in ihrem eigenen Stamm betrieb. Sie hatte somit die Möglichkeit, Indianer, die das freie Leben auf der Prärie noch kannten, in ihrer Muttersprache zu befragen und sich detailliert aus erster Hand Auskunft über sämtliche Aspekte des Lebens der Dakota/Lakota in der Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts geben zu lassen. Die Quintessenz ihrer Forschungen hat sie in ihren Roman »Waterlily« einfließen lassen, der auf lebendige und fesselnde Weise das Leben von Waterlily, einer jungen Dakota, und deren Familie, schildert.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:376
EAN:9783957840325

Rezensionen zu "Waterlily"

  1. Mehr indianisch geht gar nicht

    Lange Zeit waren es fast ausschließlich Romane, historische Romane, die ich über „Indianer“ las, über die indigenen Völker vor allem Nordamerikas. Erst in den letzten Jahren wurde ich, nicht zuletzt durch inspiriert durch die Veröffentlichungen des Palisander Verlages, auf neuere Werke, Veröffentlichungen, aufmerksam, wiederum Romane aber auch Sachbücher. Vermehrt las ich Bücher, die von Angehörigen der Völker selbst verfasst wurden, von diesen schrieb ich bereits auf dem Blog. Dabei waren die Biografie über Sitting Bull von Ernie la Pointe, die gesammelten Märchen und Geschichten in Roter Vogel erzählt von Zitkala-Ša oder das Buch Das Wunder vom Little Bighorn von John Oute Sica.
    Wieder liegt ein Roman vor mir. Die Autorin von Waterlily, Ella Cara Deloria (1889 – 1971), Anpetu Waste-win (Schöner-Tag-Frau), ist vermutlich eine „Ausnahme-Indianerin“, ebenso wie Gertrude Simmons Bonnin – Zitkala-Ša (1876 - 1938). Diese Bemerkung beruht allein darauf, dass beide Dakota – Indianerinnen die „angebotene“ Schulbildung nutzten und als Erwachsene Schriftstellerinnen wurden.

    Waterlily. Die Geschichte einer Dakota / Lakota Frau und eigentlich deren Mutter Blue Bird. Blue Bird verlor ihre Eltern und Brüder durch einen Überfall während eines Jagdausfluges, gemeinsam mit ihrer Großmutter wurde sie in einer anderen Stammesgruppe aufgenommen, heiratete und gebar Waterlily (Mni Hčahča-win). Blue Bird wird von ihrem Mann verstoßen. Besucher im Dorf erkennen sie als Verwandte und sie kehrt mit Großmutter und Tochter zu ihrer alten Stammesgruppe zurück. Waterlily wächst nun hier im Kreise einer großen Familie auf.
    Im letzten Teil des Romans ist dann nur kurz von weißen Männern die Rede. Durch infizierte Decken und Kleidung, deren starke Farben den Menschen sehr gefallen, sterben viele. Es wird beschlossen, die Überlebenden zu isolieren, das heißt, sie sollen in kleinen Gruppen die Stammesgruppe verlassen.

    Auf einem Sonnentanzfest bewundert sie einst einen Krieger, dem sie, nach den Strapazen der Zeremonie erschöpft, Wasser reicht. Durch Zufall wird dieser später ihr Mann, erfährt aber nicht, dass sie das Mädchen auf dem Fest war.

    Indianer einmal anders und doch nicht. Es ist ein „Dakota-Frauen-Roman“. Eine Dakota schreibt vor allem über das Zusammenleben, von Traditionen, Zeremonien, Glauben. Das Verhältnis zwischen Frauen und Männern und vor allem das zu den Kindern steht im Mittelpunkt des Romans. Ebenso gilt das für die Rolle der Familie, meist Großfamilien (tiyospaye), die innerhalb einer Zeltgruppe / Stammesgruppe wohnen.

    Die Regeln des Zusammenlebens im 19. Jahrhundert zeigen deutlich, dass wir es mit einer mehr entwickelten zivilisatorischen Gesellschaft zu tun hatten, als es die lange noch verbreiteten Klischees vom „edlem Wilden“ annehmen lassen würden, auch wenn diese vom Staat, dem Staatsvolk und dem Staatsgebiet nichts wussten. Die Rolle der Frauen würden wir heute als überholt, die der Kindererziehung vielleicht als vorbildlich ansehen. Besonders deutlich wird uns eine Art Solidarpakt vorgestellt, wenn die Teilung von Jagdbeute, die Lagerung von Nahrungsmitteln für Familien und die Unterstützung, wenn die Männer als Jäger und Krieger fielen oder starben. Die Selbstverständlichkeit der Aufnahme auch nicht unmittelbar Verwandter in das tiyospaye oder gar Alleinstehender, das „Verwandte machen“.

    So ist das Buch kein „Abenteuerroman“, als den man frühere Bücher über die indigenen Völker angesehen hätte, Krieg und Kampf stehen nicht im Vordergrund. Die Geschichte von Blue Bird und Waterlily ist jedoch gleichermaßen spannungsreich und vor allem äußerst informativ, packend und bewegend.

    Ella Cara Deloria, deren Geschichte der Übersetzer im Anhang größeren Raum einräumt, war eine Yankton-Dakota, der Großvater mütterlicherseits war ein US-General. Sie wuchs unter Lakota auf Standing Rock auf und sprach beide Dialekte. Deloria hatte das Glück, dass sie in der Schule auf eine verständnisvolle Lehrerin traf. Später selber Lehrerin erzählt sie von „glücklichen, eifrigen Kindern, aufmerksam gegenüber jedem Gegenstand, in den sie eingeführt wurden“, und gründlichem Unterricht. Selbstverständlich ist dies am Ende des 19. Jahrhunderts nicht. Die Methoden gegenüber den Indianerkindern in Internaten wie der Carlisle Industrial School, wo ihnen ihre Muttersprache verboten wurde und man den „Indianer in ihnen töten wollte um Amerikaner aus ihnen zu machen“, waren vorherrschend.
    Und doch, die bereits oben erwähnte Schriftstellerin Zitkala-Ša lernte und lehrte später auf einer solchen Schule. Ella Deloria erwarb auch einen Hochschulabschluss und veröffentlichte zu Geschichte, Traditionen und Sprachen der Lakota und Dakota. Waterlily allerdings konnte sie zu Lebzeiten nicht mehr veröffentlichen.

    Es gibt gerade aus den letzten 20 Jahren eine Menge guter Bücher über die indigenen Völker Nordamerikas, für mich stechen Ella Cara Deloria mit WATERLILY und Gertrude Simmons Bonnin –Zitkala-Ša mit ROTER VOGEL ERZÄHLT (Rezension) heraus, weil es indianische Autoren besonderer amerikanischer Literatur sind. Ebenso gilt dies für John Okute Sica und sein Buch DAS WUNDER VOM LITTLE BIGHORN

    Diese hat der Palisander – Verlag und dessen Verleger und Übersetzer Frank Elstner versammelt und damit allen interessierten Leserinnen und Lesern die Möglichkeit geschaffen, die geliebten Romane, zum Beispiel von Liselotte Welskopf-Henrich, auf deren Hintergrund zu „überprüfen“. Ich staune immer wieder, welches Grundwissen Liselotte Welskopf-Henrich in ihren Romanzyklen DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN offenbarte, denn vieles erklärt nun im Detail Waterlily.

    Das Buch beinhaltet ein Nachwort zur Autorin und Textauszüge aus Roter Vogel erzählt sowie einen Auszug aus Erik Lorenz Die Geschichte des Sitting Bull.

  1. Aus dem Leben einer Yankton-Dakota

    Die Autorin Ella Cara Deloria (1889 – 1971)wuchs im Spannungsfeld zwischen christlicher und indianischer Kultur auf. Sie studierte und betrieb als Ethnologin Feldforschung im eigenen Stamm. Sie hörte aus erster Hand noch von den großen Büffelherden und dem teilnomadischen Leben ihres Volkes. Sie erfuhr von Riten, Sitten und Stammesregeln.

    Sie verarbeitete ihre Forschungen auch in einem Roman. „Waterlily“ erzählt aus der Sicht von zwei Frauen, Blue Bird und ihrer Tochter Waterlily, vom Leben der Yankton-Dakota. Obwohl etwas distanziert im Stil, berührte mich diese Geschichte außerordentlich. Deloria verdichtete ihre Forschungsergebnisse und so steht Waterlily für ein exemplarisches, indianisches Frauenleben. Noch kann ihr Stamm und ihre Familie nach alter Tradition leben, Berührungen mit den weißen Siedlern und Soldaten gibt es nur am Rande, aber die Gefahr, die von ihnen ausgeht ist deutlich zu spüren. Sie kommen in Kontakt mit Krankheiten, für diese keine Medizin und Abwehrkräfte haben, sie sehen voller Verwunderung, wie die Weißen ungezählte Büffel schießen, ohne sich um die Kadaver zu kümmern. Was für sie Nahrung und Wärme bedeutet, wird von den weißen Siedlern und Soldaten grundlos abgeschossen.

    Aber es geht natürlich auch eine Faszination von diesen Fremden aus. Die Schusswaffen sind begehrte Objekte für die Krieger des Stammes, Kattun wird wegen der Farben und des feinen Gewebes von den Frauen sehr geschätzt und die Decken wärmen und sind viel leichter als die bisher verwendeten Tierhäute.

    Ella Cara Deloria kann durch ihre Gespräche sehr unmittelbar vom beginnenden Untergang dieser großartigen Kultur berichten und verleiht ihrem Roman dadurch eine faszinierende Authentizität. Das ist ein Paradebeispiel für den Stellenwert von Oral History. Der Roman endet mit Waterlilys Leben als junger Frau, gern hätte ich noch mehr über sie erfahren.

    Die Autorin erzählt sehr zurückhaltend, Freude, Trauer und dramatische Ereignisse im Leben ihrer Protagonistinnen wirken deshalb wie aus der Ferne erzählt. Nichts desto trotz, hat mich der Roman und auch die Lebensgeschichte der Autorin gefesselt.

    Schön, dass der Palisander Verlag diesen Text nun auch in Deutschland zugänglich macht.