Kurzmeinung: Wunderschöne Atmosphäre + Setting für eine traurige Geschichte
Wieder eine Insel. Irgendwo in der Karibik. Am dazugehörenden Festland ein übler Diktator am Werk. Auf der Insel, klein und karg, ein alter Mann. Einst hat er gegen den Diktator aufbegehrt. Davor war er als Jugendlicher ein Taugenichts, zuerst ein liebenswerter Taugenichts, dann einer von denen, die „Ausländer raus“ brüllen, Krawall machen, Leute anrempeln und schlagen, aber vorm Töten ist er, der auf der Insel lebt, immer zurückgeschreckt. Er konnte es nicht. Dem Diktator kam das rebellische Grüppchen, dem er sich anschloss, in die Quere. Folter. Zwangsarbeit. Verrat. Schließlich kommt er frei, aber er ist nicht mehr gesellschaftsfähig. Alt und ausgestoßen lebt er als Leuchtturmwärter auf der Insel. Allein. Einsam, aber mit sich im Reinen. Da schwemmt die See einen halbtoten Flüchtling an Land.
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Sprachlich top!
Ich konnte dieses wunderschöne Büchlein nur ganz langsam lesen. Vor jeder neuen Seite hatte ich Angst. Eine neue Katastrophe bahnt sich an. Die Autorin hat die Beziehung des alten Samuel zu seiner Insel, zu sich und seiner Vergangenheit bemerkenswert schlicht und anrührend gestaltet, man spürt dysfunktionale Familie, dysfunktionales Land, Armut, Erbärmlichkeit, Hoffnungsschimmer, Hilflosigkeit, Tapsige Annäherungen. Dazu immer wieder die Insel. Wind, Tang, Einsamkeit, Meeresrauschen. Man möchte heulen, weil manche Menschen keine Chance im Leben bekommen. Aber Samuel ist ein Mensch geblieben trotz seiner Vergangenheit, er liebt seine Kräuter, seinen Garten, wenn man ihn so nennen möchte und die kleine Henne, die von allen anderen gemoppt wird. Sie ist sein Augenstern.
Fazit: Rundum gelungener, sogar liebevoller Roman über die Chancenlosigkeit des Menschen in unmenschlichen Systemen.
Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
Longlist Man Booker, 2021/dt. Eine Insel, Verlag: Blessing
Verlag: Holland House Books am 12.11.2020
Sehr traurig, sehr schön
Kurzmeinung: Wunderschöne Atmosphäre + Setting für eine traurige Geschichte
Wieder eine Insel. Irgendwo in der Karibik. Am dazugehörenden Festland ein übler Diktator am Werk. Auf der Insel, klein und karg, ein alter Mann. Einst hat er gegen den Diktator aufbegehrt. Davor war er als Jugendlicher ein Taugenichts, zuerst ein liebenswerter Taugenichts, dann einer von denen, die „Ausländer raus“ brüllen, Krawall machen, Leute anrempeln und schlagen, aber vorm Töten ist er, der auf der Insel lebt, immer zurückgeschreckt. Er konnte es nicht. Dem Diktator kam das rebellische Grüppchen, dem er sich anschloss, in die Quere. Folter. Zwangsarbeit. Verrat. Schließlich kommt er frei, aber er ist nicht mehr gesellschaftsfähig. Alt und ausgestoßen lebt er als Leuchtturmwärter auf der Insel. Allein. Einsam, aber mit sich im Reinen. Da schwemmt die See einen halbtoten Flüchtling an Land.
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Sprachlich top!
Ich konnte dieses wunderschöne Büchlein nur ganz langsam lesen. Vor jeder neuen Seite hatte ich Angst. Eine neue Katastrophe bahnt sich an. Die Autorin hat die Beziehung des alten Samuel zu seiner Insel, zu sich und seiner Vergangenheit bemerkenswert schlicht und anrührend gestaltet, man spürt dysfunktionale Familie, dysfunktionales Land, Armut, Erbärmlichkeit, Hoffnungsschimmer, Hilflosigkeit, Tapsige Annäherungen. Dazu immer wieder die Insel. Wind, Tang, Einsamkeit, Meeresrauschen. Man möchte heulen, weil manche Menschen keine Chance im Leben bekommen. Aber Samuel ist ein Mensch geblieben trotz seiner Vergangenheit, er liebt seine Kräuter, seinen Garten, wenn man ihn so nennen möchte und die kleine Henne, die von allen anderen gemoppt wird. Sie ist sein Augenstern.
Fazit: Rundum gelungener, sogar liebevoller Roman über die Chancenlosigkeit des Menschen in unmenschlichen Systemen.
Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
Longlist Man Booker, 2021/dt. Eine Insel, Verlag: Blessing
Verlag: Holland House Books am 12.11.2020